CD Kritik Progressive Newsletter Nr.23 (12/1998)
Anastasia - Melourgia
(64:33, C+P Libra Music, 1997)
Mit dem was landläufig unter Prog läuft, haben Anastasia nicht unbedingt viel am Hut. Dennoch gibt es Merkmale, die dieses Album auch für den Hörer anderer Klänge interessant macht. Bei den Informationen zu dieser Band hapert es dafür. Das aufklappbare und falttechnisch sehr raffiniert gestaltete, in schwarz gehaltene Digipack, wirkt in seinem schrifttechnischen Inhalt recht irritierend. Das Label sitzt in Athen, die Texte sind in kyrillisch und griechisch abgedruckt, die Namen der Musiker und ein Teil der Titel verweisen eher auf slawische bzw. jüdische Wurzeln. Verwirrung perfekt, keiner weiß Bescheid. Ungewöhnlicherweise beginnt auch die CD gleich mit dem "Finale (from "Rosenkrantz and Guilderstern are dead)". Mystische, geradezu unheimliche Keyboardteppiche werden ausgelegt, über denen die akustische Gitarre einige Töne streut. Der Minimalismus erinnert an New Age, die unglaubliche Spannung der Musik weist in Richtung Soundtrack. Als dann noch der sakrale gregorianische Gesang einsetzt, kommen Erinnerungen an Vangelis "1492 - The conquest of paradise" auf. Die prägenden Stilmerkmale (bedrohliche Keyboards, brummelnder Männergesang in Tieftonlage, sparsame Arrangements) bieten Musik mit Gänsehautcharakter. Nach einigen Liedern hole ich den Wodka aus dem Schrank, kipp mir einen hinter die Binde, um mich, nachdem das Glas hinter mir an der Wand splitternd zerschellte, beseelt treiben zu lassen. Melancholie, gruselige Spannung, geistige Umnebelung - nur der Kater danach und das Aufräumen der Scherben sorgen für einen schweren Kopf. So habe ich mir schon immer die Musik zu meinem Begräbnis vorgestellt, einfach zu schön, um zu sterben.
Kristian Selm
Kontakt: C-P Libra Music Ltd., 26A Kerasoundos St., GR 157 71 Athen (Griechenland)
© Progressive Newsletter 1998