CD Kritik Progressive Newsletter Nr.23 (12/1998)

Lothlorien - Il sale sulla coda
(41:43, Lizard, 1998)

Ganz so unzugänglich, wie sie Thomas im letzten Heft bei deren Auftritt beim Vigevano Festival beschrieb, sind Lothlorien (wie würden bloß viel Progressive Rock Bands heißen, wenn es Herrn Tolkien nicht gegeben hätte?) nun doch nicht. Aber mit einem hatte er recht: beim ersten Anhören erschließt sich diese Musik nur schwerlich, man muss schon mehrmals und sehr genau zuhören, um sich in den komplexen Strukturen dieser italienischen Formation zurechtzufinden. Deswegen mache ich mich jetzt erstmals eine Portion Spaghetti mit extrem scharfer Tomatensauce, um für den rechten kulinarischen Rahmen zu sorgen. Also, kurze Pause. So, der dampfende Teller Nudeln steht vor mir, hinein mit der Grundlage. Hmrpfgh ghmpr egrmbnm, oh, vielleicht sollte ich doch nicht mit vollem Mund schreiben! Ganz so scharf wie die Sauce auf der Zunge, brennt Lothloriens musikalisches Feuerwerk nicht in den Ohren. Der Opener "La storia del conttrasto" oder auch "Malati du un dio" sind zwar sperrig und von einer gewissen Nervosität geprägt, Geflöte und Gekeyboarde (Na, wenn diese Wortschöpfung mal unsere ehemalige Deutschlehrerin gelesen hätte. Hallo Frau Sach, schöne Grüße! Anm. El Supremo) mit variabler Gitarre untermauert, bieten jedoch Italo Prog der schwungvollen Variante. Aber es geht auch fröhlich folkig zu ("I musicanti") oder man benutzt gleich einen Titel der Bände spricht ("Genesi"), verschachtelt diesen sinfonisch grandios oder lässt es auch mal ruhiger, aber eindringlich krachen ("Il sale sulla coda"). So jetzt kommt der Nachtisch, sprich das Resümee. Mit Espresso im Magen kann den sechs Italiener an Gesang, Flöte, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboards mit "Il sal sulla coda" ein sehr gutes Debüt attestiert werden, welches hauptsächlich auf ein italienischen Zielpublikum und ausländische Anhänger druckvollen Progs à la italiana zielt. Wohl bekomm's und guten Appetit.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1998