CD Kritik Progressive Newsletter Nr.21 (07/1998)
Lotus - Lotus the totuus
(62:22, Privatpressung, 1998)
In einer Welt voll Kategorien und Schubladendenken haben sich die finnischen Lotus für ihren eigenen Stil namens "freien Perfektionismus" entschieden. Besonders das Wort "frei" wird in einige Richtungen auf seine Belastbarkeit ausgereizt. Der Opener "Aamutu maan" beginnt mit klassischem Intro, um nach wenigen Augenblick opernhaften Gesang à la Höyry-Kone zuzumischen, dem kurz danach ein elektronischer Stolperbeat mit kammermusikalischen Einflüssen folgt. Bereits hier wird der wenig abgehärtete Hörer auf seine Belastbarkeit und Zugeständnisbereitschaft an virtuose Stilmixe geprüft. Die Warnung auf dem Beiblatt, dass die Musik von Lotus sich so oft ändert wie das Wetter, trifft unverhohlen zu. Doch keine Angst, ganz so krass geht's nicht weiter. Zwar ist der Gesang, der sehr an Landberk erinnert und mit viel Hall und nörgelndem Unterton versehen wurde, in seiner Wirkung nicht gerade eingängig, doch die farbenfrohe, wenn auch sehr traurige Musik, schwankt spannend zwischen Psychedelia, Fusion, elektronischer Musik, Klassik, Folklore und Progressive Rock. Doch wie immer, wer zu viel will, setzt sich auch unweigerlich zwischen die Stühle. Die etwas wabbernde Unbestimmtheit macht es einfach ungeheuer schwierig, den rechten Zugang zu finden. Hier und da blitzt ein geniale Idee auf, aber das Konglomerat der Unzuordnungsbarkeit verwischt diesen Ansatz flugs. Beim Gesamturteil fällt mir deswegen nur noch der Kommentar des römischen Legionärs ein, der bei Asterix "Tour de France" von einem Amphorenkorken getroffen wurde: "das ist herb".
Kristian Selm
Kontakt: Lotus c/o Ville Juvonen, Frenzeninkatu 3 A 2, 00500 Helsinik, Finnland
© Progressive Newsletter 1998