CD Kritik Progressive Newsletter Nr.21 (07/1998)
I Giganti - Terra in bocca
(46:42, Vinyl Magic, 1971)
Nicht neun Songs und 66:16 min., wie auf dem Cover vermerkt, sondern lediglich zwei Songs mit beeindruckenden jeweils 23 Minuten Länge weist dieser italienische Silberling auf. Die obskure Mischung aus sehr schönen sinfonischen Elementen, abgedrehten einfallsreichen Melodien, italienischen Gesängen und der mafiosen Nachtclub-Stimme eines immer mal wiederkehrenden Erzählers (der dummerweise auch singt!) fließt spannend und aufgeregt dahin. Solange der Mafiosi seine Klappe hält (und den echten Sänger ans Mikro lässt), geht es o.k. Mellotron-Berge und strapazierfähige Trommelfelle, Gitarrenattacken und viel Gesang mit folkloristischen Melodien wechseln sich ständig ab. In einer Minute erklingen harte progressive Akkorde, wechseln zu liedhaften Strophen, zu einem Mellotron-Solo, um schließlich einen melancholischen Piano Part zu gebären. Hard Rock wird zu seichtem und poppigen Gesänge und bricht schließlich in einen schwer komplexen Instrumentalteil aus. Gesungen wird sehr viel, das muss ich sagen. Und die beiden Werke sind nicht aufgebaut wie ähnlich lange Werke von Yes und King Crimson. Das sind keine Orgien, eher deren kleinere Schwestern. Was nicht heißt, dass die Musik nicht abgeht. Verblüffend sind vor allem die Brüche in den Songs. Ein sinfonischer Satz mit epischem Charakter wird abrupt geschnitten - der Sänger erzählt ein paar Worte - und eine andere üppige und bombastische Melodie mit sehr viel Mellotron schließt sich an. Die Vielfältigkeit macht mehr aus der Musik. Sie scheint, ohne langweilig zu wirken, endlos zu sein. Nicht eine Idee wird zum Orgasmus gepeitscht, viele Ideen machen hier den Song. Das Gruppenspiel ist stets homogen, die Melodien witzig oder wütend. Eine kraftvolle CD zum Testen. Übrigens ist dies die einzige Platte von I Giganti, die Proggies sich gut anhören können - ihre anderen Platten sumpfeln in poppigen Mooren.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 1998