CD Kritik Progressive Newsletter Nr.20 (05/1998)
Cairo - Conflict and dreams
(65:18, Magna Carta, 1998)
Wie schon im letzten Heft erwähnt, hat es für die neue Cairo-CD leider zeitlich nicht mehr gereicht. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch nur vom Hören-Sagen, dass sie ganz gut sein soll. Nun, jetzt, da ich sie habe, finde ich das leicht untertrieben, denn seit der letzten Spock's Beard konnte mich keine neue CD so begeistern. Das Artwork der CD setzt sich wieder aus Computer Grafiken zusammen, und sieht gut aus. Der Blick auf die Rückseite verrät, dass man sich bei dieser zweiten CD noch mehr auf lange Lieder konzentriert hat, denn außer dem ruhigen "Zwischentitel" "Image" mit mageren 1:25 findet man ein 8 min Lied und gleich vier von 10 bis 17 Minuten. Die Musik kann mich gleich von Anfang an begeistern, was nur selten eine CD auf Anhieb schafft. Aber dieser herrliche Bombast, diese aufrüttelnde Geschwindigkeit, und die wieder mal genialen Keyboards von Mark Robertson. Dazu einen gewissen Schuss Härte, aber kein Metal weit und breit. So muss das sein! Die langen Songs lassen der Musik viel Raum, sich zu entwickeln, und die 10-Minüter sind selten mit heißer Luft gefüllt, um die Zeit zu dehnen. Immer mal wieder dürfen sich Gitarre und v.a. die Keyboards in Soli austoben. Trotz der Komplexität wirkt das alles nie zerfahren oder überfrachtet auf mich, aber zugegeben bin ich, was der aufmerksame Leser sicher schon bemerkt hat, auch ein ausgesprochener Liebhaber solcher Musik. Von daher ist Cairo schon ein typischer Magna Carta-Vertreter. Zieht man zum Vergleich Magellan heran, sind Cairo nicht so komplex und "zerhackt" und auch weniger heavy, dagegen eher keyboard-lastiger. Wie Mark Robertson die Hammond brummen lässt, legt in manchen Soli wirklich nahe, er wäre Keith Emersons Sohn. Das klingt wirklich genau wie der große Meister, wobei er keine bestimmten Tastenläufe kopiert, sondern sich eben nur Emersons Stil zu eigen macht, und ihn mit neuem Leben füllt. Leider schafft dass das große Vorbild heute nicht mehr, denn seine Ergüsse bei ELP sind im Gegensatz zu früherer Wildheit und Experimentierfreude nur noch ein im wahrsten Sinne des Wortes müder Abklatsch. Auch sollte man unbedingt die exakten, mehrstimmigen Chorgesänge à la Yes hervorheben, bei denen viele andere Gruppen schon überfordert wären. So wird man von dieser sprühenden Energie und Spielfreude der Amis ein ums andere mal durch fast immer gleich gute Lieder zum Ende dieser herausragenden CD getragen, die meiner Meinung nach noch besser ist als das erste Album. Müßig zu erwähnen, dass die Produktion wie fast immer bei US-Bands ohne Makel ist.
El Supremo
© Progressive Newsletter 1998