CD Kritik Progressive Newsletter Nr.20 (05/1998)
Aviolinee Utopia - Aviolinee Utopia
(45:38, Mellow Records, 1997)
Hin und wieder findet man in der recht undurchschaubaren Veröffentlichungspolitik von Mellow Records CDs, die sich wohltuend aus dem Mittelmaß abheben, sowohl was die Produktionstechnik, wie auch die Qualität angeht. Beim Sechser aus Norditalien fällt man schon mal in der Besetzung Christian Logli am Saxophon aus dem üblichen Rahmen, zudem haut Sänger Giuliano Lott auch noch percussiv in die Instrumente, um einzelnen Liedern einen nicht gerade zu verachtenden Drive zu verpassen. Interessant ist vor allem, dass bei Aviolinee Utopia nicht nur auf bekannte progressive Merkmale (sinfonische Elemente, Breaks, virtuose Soli) zurückgegriffen wird, sondern auch sehr viel Jazzrock Einflüsse, funkige Gitarren à la Red Hot Chili Peppers und Latin Rock mit einem Rhythmus, dass man mit muss, verleiht dem mediterranen Progressive Rock die rechte Würze. Da kommt mal schon fast abgedrehtes Deus Ex Machina Feeling auf ("Timone del cielo") oder orientalischer Einschlag, der in einem druckvollen Gitarrensolo endet, welches stark an die Saitenkünste von Carlos Santana erinnert ("Integralisti alegrini"). Schwachpunkt in der sehr abwechslungsreichen Mixtur ist wie so oft der Gesang. Nicht wegen der Qualität, sondern eher wegen seiner etwas laschen Intonation. Dennoch wird im instrumentalen Bereich ein ums andere mal Vielschichtiges, aber Nachvollziehbares aus dem Hut gezaubert. Tempo und relaxtes Tempo wechseln sich ab, das schon vorher erwähnte Saxophon spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Je länger man sich durch diese CD hört, um so mehr freundet man sich mit ihr an. Trotz leichtem Jazzrock Überhang und guter Ideen sicherlich kein Meisterwerk, aber dennoch der Beweis, dass es in südlichen Breiten immer noch sehr gute Bands zu entdecken gibt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1998