CD Kritik Progressive Newsletter Nr.20 (05/1998)
Pär Lindh Project - Mundus incompertus
(42:34, Crimsonic, 1998)
Gerade mal drei Titel finden sich auf dem neuen Album des schwedischen Tastenkünstlers Pär Lindh. Dass man trotzdem auf eine halbwegs vernünftige Spielzeit kommt, wird jeden Freund von Longsongs in Verzückung geraten lassen, denn das Titelstück, in 13 Teile untergliedert, beläuft sich auf über satte 26 Minuten! Doch das allein ist ja noch keine Garantie für ein gelungenes Album. Zunächst ein Wort zur Besetzung: ob es sich um die Heavy Combo handelt, die Pär Lindh in Stockholm beim letztjährigen Festival begleitete und auf die anwesenden PNL-Schreiber einen mehr oder weniger katastrophalen Eindruck hinterließ, entzieht sich leider meiner Kenntnis, jedenfalls sind die gleichen Musiker im Einsatz, die schon auf der merkwürdigen Mini-CD "Rondo" vertreten sind (hier frage ich mich wirklich, für welche Hörerschicht dieses Album gedacht war). Zumindest beim Drummer würde ich die Herkunft aus der Heavy Ecke vermuten. Eines wird schnell klar: hier haben die Keyboards das Sagen, die allgegenwärtigen Tasten spielen den Rest fast völlig in den Hintergrund. So ist beispielsweise der Einfluss von Gitarrist Jocke Ramsell auf ein Minimum reduziert. Der 9-minütige Opener "Baroque Impression No. 1" bietet genau das, was der Titel bereits andeutet. Bombastische Emersonmäßige Orgelparts im Wechsel mit barocken Passagen mit Geige, Blockflöte und Spinett. Verarbeitet werden in diesem Instrumentaltitel Themen von Bach und Vivaldi, was alles in allem auch als recht gelungen bezeichnet werden kann und speziell auf Keyboard Bombast Fans zugeschnitten ist. Das Grundgerüst für den zweiten Titel, "The crimson shield" (6:38), bilden ein Spinett, das von der Spielweise her stellenweise wie eine Akustikgitarre klingt, und der Gesang von Magdalena Hagberg, einem regelmäßigen Gast auf Pär Lindhs Alben. Ein ruhiger Song mit recht netter Melodie - nicht mehr und nicht weniger. Frau Hagbergs Stimme kann mich aber, ebenso wie im monumentalen Titelsong, nicht so recht begeistern. Und schon sind wir beim Abschlusstitel. Ausgedehnte Orgelausflüge à la Emerson werden en masse geboten; hellhörig werde ich etwa auf halber Strecke, als nach einem Motett (man könnte auch sagen Sirenengesang, dargeboten vom Singillatim Choir) ein feines Mellotron Spektakel (Chor und Streicher) beginnt. Doch spätestens beim Einsatz des Gesangs wird alles wieder auf Mittelmaß heruntergeholt. Hervorragende Momente enthält dieses Album oft dann, wenn es klassische Züge annimmt. Allerdings verliert sich Lindh mit manchen Orgeleinlagen etwas im Unendlichen. Alles in allem ein, mit Abstrichen, ordentliches Album, das wieder eher in Richtung "Gothic impressions" geht und wenig mit dem folkigeren "Bilbo" oder dem Reinfall "Rondo" zu tun hat.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 1998