CD Kritik Progressive Newsletter Nr.15 (06/1997)
Ivory - Keen city
(57:48, Ipso Facto Music, 1996)
Selbst der Bereich der sinfonischen Rockmusik kennt keine Altersgrenzen. Ulrich Sommerlatte (Jahrgang 1914!) bringt unter dem Projektnamen Ivory seine zweite CD heraus, das Debüt "Sad cypress" wurde bereits bei Musea veröffentlicht. In alleiniger Verantwortung für Musik, Arrangement und Umsetzung handelt es sich hier um ein reines Keyboardalbum, im Charakter zwischen sinfonischen Keyboardelementen, klassischen Anleihen und New Age anzusiedeln. Inhaltliche Ähnlichkeiten sind in einigen Passagen zu Mike Oldfield oder Jean-Michel Jarre vorhanden. Etwas störend wirkt manchmal der synthetisch klingende Drumcomputer, jedoch machen die abwechslungsreichen, stellenweise sehr bombastischen Kompositionen dieses Manko weitgehend wieder wett. Weiche, gefühlvolle Klangteppiche entfalten sich. Mit mystischer Intensität baut vor allem der 12-minütige Titelsong dramatische Spannungen auf. Die weitgreifende Keyboarddominanz ist natürlich nicht jedermanns Geschmack, aber schöne, harmonisch verspielte Passagen lassen ebenfalls Raum zum Träumen. Eine besondere Ergänzung erfahren die manchmal soundtrack-mäßigen Klanggemälde durch zwei Gastauftritte von Sylvia Zangenberg, die mit glasklarer Stimme der Jazz Rock Ballade "Botree Bay" und dem melancholischem Ausklang "Good-bye for now" ihren persönlichen Stempel aufdrückt. Bei "Kinder der Nacht" singt dann gleich ein kompletter Mädchenchor, und unterstützen sehr passend die Dramatik dieses Stücks. Wem ausschweifende und zudeckende Akkorde gefallen, und auch sonst mit reinen Keyboardalben etwas anfangen kann, sollte hier mal ein Ohr riskieren.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1997