CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)

Erratica - Erratica
(30:50, Technomedia Labs, 1997)

Alle Industrial Soup-Fans aufgepasst - alle anderen umblättern, denn wenn man mit dem verrückten Trio aus Sunnyvale in California nix anfangen kann, gilt das für dieses Werk erst recht. Hinter Erratica verbirgt sich nämlich keine Gruppe, sondern ein Ein-Mann-Projekt mit niemand geringerem als Industrial Soup-Chef David O'Neal höchst selbst. Dieses Album ist von der Ausführung her aus einer bestimmten Idee entstanden. Man hört immer wieder von Musikern, die ganze CDs daheim fertig stellen und staunt dann über die gute Qualität. Nur wird dabei nie erwähnt, so schreibt David im Booklet, dass die Leute meist 50.000$-Profi-Studios daheim eingebaut haben. Er kam nach einem Gespräch mit einem Freund, der bei einer Musikzeitschrift arbeitet, aber auf die Idee, genau das Gegenteil zu versuchen. Das heißt ein Album komplett zu Hause wirklich nur mit Computer (Mac Quadra 660) und Keyboards in kürzester Zeit fertigzustellen, aber mit genauso gutem Sound wie im Studio. Und dass dies möglich ist, zeigt ganz klar dieses Album, aufgenommen in den weltbekannten Rutabaga Studios, sprich in seinem Schlafzimmer. Wie bei seiner Hausband Industrial Soup, so finden sich auch hier ganz unterschiedliche Lieder, die es einem schwierig machen, eine umfassende Stilbeschreibung abzugeben. Da gibt es ein schnelles Grunge-ähnliches Stück, dass auch auf Alex Lifesons Soloalbum (PNL Nr.13) nicht auffallen würde, ein russisch angehauchtes Lied mit Polkaeinfluss (fast ausschließlich vom Klavier dominiert), vier gewohnt verrückte Ministückchen unter einer Minute, und eben diese schon von Industrial Soup her bekannten komplex-abgedrehten Wave-Industrial-Prog-Keyboardstücke. Auf dieser CD gibt es zur Abwechslung auch mal Gitarre zu hören, dafür fehlen die Drums von IS-Schlagzeuger Erik Svenson. Diese kommen komplett aus dem Computer, und da sollten sich andere Gruppen, die auch Drumcomputer benutzen, mal eine Scheibe abschneiden, denn dass man synthetisches Schlagzeug einsetzt, und es trotzdem nicht einfach und billig klingt, führt David O'Neal hier vor. Weiterhin fährt der "Multimedia-Junkie" (Eigenzitat) massig Samples auf, mixt tausend Sounds von Kraftwerk über Rush und Metallica abenteuerlich zusammen, und generiert so, wieder mit viel Humor, sein eigenes kleines Synthie-Universum. Insgesamt also ein Album, dass für die meisten genauso schwierig zugänglich sein wird, als es schon der Industrial Soup-Erstling war, da es wieder total aus dem üblichen Prog-Musikrahmen fällt, und dies positiv gemeint. Kann man sich aber mit diesem infernalischen Kabinettstückchen des Silicon Valley-Tüftlers anfreunden, bekommt man zur Belohnung ein furioses Album, das, obwohl es die kurze Spielzeit nahelegt, ganz sicher nicht nur ein Lückenbüßer bis zum nächsten Industrial Soup Album ist.

El Supremo



© Progressive Newsletter 1997