CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)
Raphael Rudd - The awakening
(42:15 + 42:41, Wedge Music, 1996)
Als Hommage an seinen geistigen indischen Meister Avatar Meher Baba konzipiert, präsentiert sich auf dieser Doppel CD der Tastenvirtuose Raphael Rudd an Klavier, Harfe und Keyboards. Im zarten Alter von 21 Jahren leitete er bereits das Royal Philharmonic und London Symphony Orchestra für Aufnahmen zum Soundtrack des Films "Quadrophenia". Aus der damaligen Zusammenarbeit mit Pete Townshend erwuchsen dann die Aufnahmen der ersten CD dieses Doppelpacks, die letztendlich 1980 fertiggestellt wurde. Townshends Mitarbeit bezog sich, neben einer Gesangseinlage, auf reine Produzententätigkeiten und technische Unterstützung. Jedoch partizipieren neben einigen wenigen Gastmusikern auch weiterhin zwei sehr illustre Namen: Phil Collins und die Stimme von Renaissance, Annie Haslam. Collins trommelt mit der gewohnten Präzision und noch damals vorhandenen Virtuosität, Annie Haslam drückt mit engelsgleichen Gesangsdarbietungen drei Titeln ihre persönliche Note auf. Bis auf das flotte "Hommage", welches an Dave Brubecks "Blue rondo a la turk" und The Nice's "Rondo '69" angelehnt ist, und "Travels", einem abwechslungsreichen Piano-Schlagzeug Stück, sind die teilweise nur spärlich von anderen Instrumenten ergänzten Klavierstücke ruhiger gehalten, stellenweise klassisch verwurzelt, bis hin zu leicht jazzigen Tendenzen. Meist von ausufernden Klavierläufen getragen, sind auch ein Kammerorchester, wie auch Oboe zu vernehmen. In den gedämpft progressiv-rockigeren Stücken "Kids like me" und "Captivity" greift Raphael Rudd zum Mikrofon, eine Aktion, die nicht unbedingt hätte sein müssen. Trotz der scheinbar klanglichen Eingeschränktheit der Stücke - sehr viel Klavier und nur stellenweise Schlagzeug - sind sie spannend, mit dem nötigen Gefühl arrangiert. Es klingt stellenweise wie eine klassischere, instrumentale Version von Renaissance. Besonders gilt es noch den, wie immer, wunderschönen Gesang von Annie Haslam herauszuheben. "Seasons" fände auch auf jedem Album von Renaissance seinen Platz, wurde deswegen nach dem späteren Einstieg von Raphael Rudd bei dieser Band ebenfalls in deren Live Repertoire aufgenommen. Die zweite CD stammt aus dem Jahr 1996, klingt dementsprechend zeitgemäßer. Zeitgemäßer bedeutet in diesem Falle, dass auch leider die synthetische Rhythmusgruppe angetreten ist. So wird nunmehr unter den oft zu harmlos klingenden Tastenspielereien, die sich im Nebelbereich von New Age und Wartezimmerklängen bewegen, ein breitgefächerter Klangteppich gelegt. Vollmundige Harmonien versinken scheinbar hilflos im Elektronensumpf - schönen Gruß an die späteren Werke des Herrn Wakeman. Jedoch schimmern immer noch brauchbare Melodien mit mächtig viel Atmosphäre und vereinzelten Harfenklänge im Fahrwasser von Andreas Vollenweider durch. Wunderbare Untermalungsmusik für den gedämpften, anspruchsvollen Small talk, die zwar nicht die Intensität der früheren Aufnahmen erreicht, aber einige magische Momente versprüht - für den einen schlichtweg unsagbar langweilig, für andere genau die richtigen Klänge zum Träumen und Entspannen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1997