CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)

Outer Limits - The silver apples of the moon
(40:01, Musea, 1989)

Bevor ich hier anfangen konnte, mich ernsthaft mit dieser CD auseinander zusetzen, musste ich mich erst mal von meinen Lachkrämpfen, ausgelöst durch die Gruppenfotos im Booklet, erholen. Das ist die absolute Krönung der Verkleidungskünste japanischer Bands, die ich bisher genießen durfte / musste. Die fünf solariumgebräunten Herren (oder hat man aus Zeitgründen doch nur den Kopf auf die Herdplatte gelegt) haben ganz schön tief in den Schminktopf geblickt, und sich dann scheint's auch noch beim falschen, nämlich Frauenkostümverleih, mit weißen Klamotten eingedeckt. Das Ergebnis: einer (mit weißem Häubchen und Tüllgardine) sieht aus wie sie eigene Braut, der andere mit obercooler Sonnenbrille wie ein Aushilfs-Terminator, und die anderen mit Scheich-mäßiger Kopfbedeckung wie Lawrence von Arabien nach drei durchzechten Nächten. So, jetzt aber genug lustig gemacht, jedenfalls vorläufig, denn auf den Gesang werde ich ja auch noch eingehen. Musikalisch bietet dieses Livealbum der 6er-Bande, bei dem man sich durch fünf Stücke der (bis zu diesem Zeitpunkt) erschienenen vier Alben spielt, typisch japanischen Prog, d.h. öfters mal Keyboardteppiche, viel Melodie und insgesamt eingängige Lieder. Allerdings gibt man sich hier lang nicht so sehr dem Friede-Freude-Eierkuchen-Prinzip englischer Neo Progger hin. Schon die Geige von Herr Kawagusi (der Braut) gibt dem Ganzen einen anderen Charakter, und auch die Gitarre lässt es manchmal krachen. Weiterhin sind auch die Kompositionen vielschichtiger angelegt, und oft auch komplexer. Leider aber auch mal wieder ein japanisches Livealbum, wo man das Publikum kaum hören kann. Die Bandmitglieder, die nach der Auflösung 1989 in den neuen Bands Vienna und Deja Vu aufgingen, beherrschen ihre Instrumente, und machen die Bits auf der Silberscheibe so durchaus hörenswert, wenn auch, und hier mal wieder mein Lieblingsthema, der Sänger kaum als Erleuchtung zu bezeichnen ist. Im allgemeinen geht es ja, aber in "Marionette's Lament" hat Tomoki Ueno (verwandt mit Shingo Ueno, dem Macher der japanischen Prog-Szene?) es total übertrieben. Mit extra tiefer Bass-Stimme brummelt er sich durch das an sich schon etwas ziellose Lied. Schade, dass man das Stück nicht von der CD runterkratzen kann, denn als Totalausfall zieht es das Niveau der CD leicht nach unten. Trotzdem sollte man sich von dieser Ausnahme nicht gleich abschrecken lassen, denn Outer Limits können mit den meisten japanischen Prog-Bands locker mithalten, wenn sie auch nicht so gut sind wie Vienna. Außerdem kann man sie jetzt ja bei Musea bekommen, und muss sie nicht als sündhaft teuren Import beziehen.

El Supremo



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