CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)
Iris - Crossing the desert
(50:17, Iris, 1996)
Nachdem im letzten Heft bereits das Soloprojekt The Wishing Tree von Marillion-Gitarrist Steve Rothery vorgestellt wurde, sind diesmal zwei seiner Kollegen dran. Schlagzeuger Ian Mosley und Bassist Pete Trewavas bilden zusammen mit dem Gitarristen Sylvain Gouvernaire die Band Iris. Dabei fungiert der ehemalige Saitenkünstler der französischen Band Arrakeen als Kopf, da er von den acht Titeln sechs alleine und zwei zusammen mit Ian Mosley geschrieben hat. Es handelt sich ausschließlich um Instrumentalmusik, nur beim Opener "Indian dream" sind sehr zurückhaltend Gesangselemente erkennbar. Trotz der scheinbar gleichen musikalischen Wellenlänge (Arrakeen spielte z.B. in Frankreich im Vorprogramm bei der "Seasons End"-Tour von Marillion, und coverte auch einige Tracks von ihnen) sind Iris wesentlich vielschichtiger. Bombastischer, melodischer Neo Prog, bei dem vor allem die Gitarre dominiert, wird nicht nur in immer eingängigen Harmoniefolgen präsentiert. Kleinere, leicht abgedrehte Ausflüge erweitern die Spielweise zusätzlich. Pete Trewavas zupft auch mal am Fretless Bass, Ian Mosley macht durch seine rhythmisch ausgefeilten Einlagen aus seinem Können keinen Hehl. Gouvernaire weiß nicht nur seine Finger flink über das Griffbrett wandern zu lassen, seine Ausflüge an den Keyboards sind zudem eine positive Überraschung. Zwar nicht durch virtuose Soli, vielmehr werden stimmungsvolle Klangteppiche effektvoll eingesetzt. Das Manko des fehlenden Gesangs wird durch abwechslungsreiche Kompositionen zwar stellenweise ausgemerzt, dennoch hätte man sich zur Unterstützung dieser ausgezeichneten Musiker einen passenden Sänger gewünscht. Trotzdem ist "Crossing the desert" eines der besten Instrumentalalben seit langem, in einigen Versatzstücken schafft man sogar, an die alte Klasse von Marillion anzuknüpfen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1997