CD Kritik Progressive Newsletter Nr.14 (04/1997)

Imagin'Aria - In un altro quando
(46:12, Lizard, 1996)

Auf der Rückseite des Covers dieses Tonträgers befindet sich eine Toilette mit hochgeklappten Deckel. Soll man in Versuchung geführt werden, diese CD gleich dorthin zu befördern? Mitnichten, denn den Vergleich mit den Exkrementen der menschlichen Verdauung kann Imagin'Aria noch ohne Schwierigkeiten für sich gewinnen. Dennoch ist "In un altro quando" irgendwie weder Fisch noch Fleisch, zwar nicht schlecht, aber einfach nicht begeisternd genug. Zwei Gitarren dominieren das musikalische Geschehen, aber sie sind selbst in ihren solistischen Ausflügen zu wenig in den Vordergrund gemischt. Ein Manko der Produktion, die stellenweise zu unausgewogen klingt. Gitarre zu leise, Schlagzeug zu prägnant, zum Glück aber in keiner Weise vergleichbar mit dem schlechteren Mellow Records Standard des Kollegen Moroni, der manchmal erheblich Schlimmeres abliefert. Größter Pferdefuß ist das fehlende Profil, dass die Gruppe in Programm, Stil und Ausdruck unverwechselbar machen könnte. Härtere Gitarren, folkloristische Auflockerungen mit akustischen Gitarren, Violine und Flöte, überraschende Kehrtwendungen in Lautstärke und Komplexität sorgen für einen überdurchschnittlichen Hörgenuss. Doch beim italienischen Gesang und in den Kompositionen mangelt es am letzten Schliff. Man versucht sich an längeren Liedern und bringt ein erhebliches Maß an Abwechslung zu Gehör, doch die Verschmelzung aus verschachteltem, leicht sperrigem Progressive Rock, Hard Rock und Folk gelingt nicht immer zur vollsten Zufriedenheit. Dennoch zeigt z.B. stellenweise das fast 16-minütige "Barbablu" welches Potential hier schlummert. Wer Gefallen an der italienischen Version von Progressive Rock findet, sollte sich nicht scheuen hier ein Ohr zu riskieren, da in Spielfreude und Ideenreichtum Imagin'Aria immer noch mühelos einige ihrer Landsleute hinter sich lassen.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 1997