CD Kritik Progressive Newsletter Nr.12 (01/1997)
Spektakel - Spektakel
(62:13, Laser's Edge, 1974)
Die Wege von Wiederveröffentlichungen sind manchmal unergründlich. Denn wie lässt es sich sonst erklären, dass ausgerechnet ein amerikanisches Label eine deutsche Band aus dem Mid 70ern ausgräbt und deren Tonmaterial in Umlauf bringt? Es mag für die Qualität der Musik von Spektakel sprechen, dass man bei Ken Golden seinem kleinem, aber feinen Label "The Laser's Edge" gelandet ist. Der Weg von Spektakel beginnt im Jahre 1969, als man sich in Oldenburg als Trio (Gitarre, Bass, Schlagzeug) formierte. Später stieg Detlef Wiedecke auf die Tasten um, so dass sich mit einem weiteren Gitarristen die endgültige Version der Band zusammenfand. Von der gemeinsamen Begeisterung zu Deep Purple ist auf dieser CD nichts zu vernehmen, vielmehr sind es die spontanen, dennoch durchkomponiert wirkenden Improvisationen, die in den vier langen Liedern (15:32, 8:58, 17:34, 20:14) ihre Ausprägung finden. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn man im Booklet liest, dass Konzerte von Spektakel bis zu fünf(!) Stunden dauerten. Die musikalische Bandbreite reicht von Hard Rock bis 12 Ton Musik, der progressive Charakter mit anspruchsvollen Passagen überwiegt dennoch unüberhörbar. Scheinbar simple Akkorde nehmen eine unerwartet verhangene oder auch dissonante Wendung. Der mystisch schwermütig daherkommende Krautrock flüchtet sich in langgedehnte Instrumentalpassagen, die Erinnerungen an Gentle Giant wecken, wobei einige Passagen auch den Vergleich zu Yes, während der "Tales from topographic oceans" Phase zulassen. Doch hinken die Vergleiche, denn Spektakel klingen doch sehr eigen. Neben reichlich Mellotron für die ruhigen Momente, werden die rhythmisch vertrackten Passagen deutlich von der Gitarre dominiert. Der Gesang geht in Ordnung, da aber sehr viel instrumental zu Werke gegangen wird, ordnet er sich unauffällig unter. Störend sind bei den Ausflügen in langgedehnte Akkorde der manchmal übertrieben wirkende avantgardistische Charakter, da er auf Dauer einfach des Guten zu viel ist. Besonders der 20-minütige Bonustitel setzt hier neue Maßstäbe, ist in seiner Ausdehnung streckenweise total übertrieben und stellt eingefahrene Hörgewohnheiten in Frage. Ein musikalisches Abenteuer mit unsicherem Ausgang, welches handwerklich und inhaltlich über weite Strecken ansprechendes Niveau hält, jedoch sicherlich nicht für alle Geschmäcker anhörbar bleibt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1997