CD Kritik Progressive Newsletter Nr.10 (09/1996)

Albergo Intergalattico Spaziale - Albergo Intergalattico Spaziale
(41:54, Musicando, 1978)

Da kommt man nach einem geradezu katastrophalen Tag völlig am Boden zerstört nach Hause, und hat auf einmal zu allem Überfluss noch selbst zerstörerische, geradezu masochistische Gedanken. Wenn man schon wieder mal keine Gehaltserhöhung bekommen hat, für das nächste dreiviertel Jahr mit Urlaubssperre belegt wurde, und sowieso der Sündenbock für alle auftretenden Probleme zu sein scheint, dann ist es Zeit die Stimmung noch völlig auf den totalen Tiefpunkt zu drücken. Also, was tun? Drückte mir da nicht der werte Herr Jörger etwas in die Hände, grinste dabei recht diabolisch und meinte "Hör Dir doch mal diese CD an"? Also, erst mal im heimischen Chaos gesucht, und da ist sie ja auch schon! Das Cover sieht ja schon mal echt übel aus. Zwar heißt es "don't judge a book by it's cover", aber hier hoffe ich doch innigst, dass der Inhalt hält, was die Hülle verspricht. Mit letzter Kraft wird die silberne Scheibe zum Rotieren gebracht und schon recht bald bin ich mir bewusst, warum T.J. bei der Übergabe dem Herrn Luzifer so ähnlich sah. Das ist ja absolut grausam, mein Blut nähert sich dem Gefrierpunkt und plötzlich ist der Ärger verfolgen und ich wünsche mir nur noch sehnlich, dass diese furchtbare Depression nicht ewig anhalten möge. Hammond und Mellotron haben mir ja schon immer gefallen, aber natürlich nicht, wenn sie so herrlich monoton vor sich hinquäken. Bildlich sehe ich Signore Mino Di Martino schon als Skelett vor mir, der mir mit seinen Klängen das letzte Geleit gibt. Schaurig, grausig! Signora Terra Di Benedetto spricht dazu noch die salbenden Worte, furchtbarer kann ich mir meine eigene Beerdigung kaum vorstellen. Wenn es einem so richtig Sch.. geht, dann gibt einem solche Musik noch den letzten Kick. Nahe am Abgrund vernehme noch eine Adaption des Themas "Freude, schöner Götterfunken", aber von Freude kann schon lange keine Rede mehr sein. Wo ist denn bloß die Fernbedienung, so schlecht geht's mir doch nun wirklich nicht! Auf der Suche im Dunkeln (warum musste ich auch im Selbstmitleid suhlend alle Lichter ausmachen und die Rolläden schließen?), vernehme ich weitere synthetische Monotonien. Keine Gitarre, Bass oder Schlagzeug weit und breit. Terra führt dann noch in epischer Länge einige stimmliche Kunststückchen vor. Ja, bin ich denn irgendwo in einer Zwischenwelt gelandet? Ah, der Lichtschalter! Das abschließende, leicht orientalisch klingende "Himalaya" halte ich noch gerade durch. Aber danach schnell raus mit dieser CD aus dem Player, denn zu viel Atmosphäre tut eben auch nicht gut. Und was kann man aus diesem Trip lernen? Leiber gehe ich wieder jeden morgen fröhlich zur Arbeit, ärgere mich munter den ganzen Tag über allerlei Probleme, als dass ich noch mal in Versuchung komme, die Musik von Albergo Intergalattico Spaziale näher zu ergründen. Oder war vielleicht doch mein Seelenzustand an allem Schuld?

Kristian Selm



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