CD Kritik Progressive Newsletter Nr.10 (09/1996)
Hécénia - Légendes
(46:24, Musea, 1989)
Was hier geboten wird, kommt leider 15 Jahre zu spät. Zu Beginn der 80er hätte diese Scheibe entfach wunderbar in die Phase des Wiederauflebens des Progressive Rocks gepasst. Dies ist kein Vorwurf, denn somit ist "Légendes" ein purer Nostalgietrip, der absolut gekonnt umgesetzt wurde und damit ein gehobenes Maß an Beachtung verdient. Die Band Hécénia versteht es die Uhr zurückzudrehen und spielt genau das, was man aus dieser Zeit erwarten darf. Nämlich sinfonischen Rock in epischer Länge (die vier Stücke der CD sind alle mindestens 10 Minuten lang), ausgedehnte, langgezogene Instrumentalpassagen, ohne dabei auf neue Einflüsse zurückzugreifen. Dadurch beinhaltet "Légendes" zwar keine herausragenden Überraschungen, sondern bietet vielmehr solide Kost. Was mir etwas sauer aufstößt, sind die wirklich zu langen instrumentalen Teile, die die Spannung zu lange herauszögern und keinen kontinuierlichen Aufbau herüberbringen können. Keyboardsprenkel im Stile von Tony Banks rütteln immer wieder auf, daneben setzt auch die Gitarre kontrapunktive Einlagen, doch hätte an bestimmten Punkten eine Straffung den Kompositionen nicht schlecht getan. Dass Keyboarder und Kopf der Band Thierry Brandet eine Vorliebe für Genesis, Supertramp und Atoll hat, ist auf diesem Tonträger zwar nicht überdeutlich, aber durchaus vernehmbar zu hören. Gerade die Parallelen zu den französischen Atoll sind doch sehr auffallend. Von Genesis wurden die längeren Kompositionen und Soli entlehnt, von Supertramp die sehr melodische Songführung. Wer hier einen reinen Klon der erwähnten Bands erwartet, wird jedoch enttäuscht sein. Dennoch vermisse ich bei Hécénia den Mut neue Wege zu gehen und sich in freieren Strukturen zu bewegen. Doch hat der sinfonische Bombast wirklich schöne Passagen, die durchaus Begeisterung auslösen. Ein mit Abstrichen versehenes, verheißungsvolles Debüt, dass bereits 1989 als Platte aufgelegt wurde. Doch sollte bei allem Kopieren die Band mehr Betonung auf Eigenständigkeit legen, da sie sonst sehr schnell im allgemeinen Sumpf untergehen wird, weil sie so nicht weiter heraussticht.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 1996