Ólöf Arnalds - Spíra

Folk • Singer/Songwriter
(39:02; Vinyl, CD, Digital; Bella Union; 05.12.2025)
Eigentlich sollte man Bemusterungsmails gründlicher lesen. Denn wer – so wie ich – nur flüchtig über „Arnalds“ und „Island“ hinwegscannt, landet plötzlich nicht beim erwarteten Ólafur, sondern bei seiner Cousine Ólöf. In diesem seltenen Fall war mangelnde Sorgfalt aber ein Segen. „Spíra“ entpuppte sich als kleines, still schimmerndes Juwel isländischer Songwriterkunst.
Neun Stücke, spärlich instrumentiert, weitgehend auf Gitarre, Bass und Klavier reduziert – mehr braucht Ólöf Arnalds nicht, um Räume zu öffnen. Ihre unverwechselbare, helle Stimme steht im Mittelpunkt und malt in Isländisch zarte Landschaften, die man versteht, ohne sie sprachlich zu begreifen. Tiefenwirkung durch Minimalismus, könnte man sagen. Oft genügt ein sanft gezupfter Akkord, und plötzlich steht man irgendwo zwischen Kerzenschein, Winterdunkelheit und einem Herzen, das taut.
Dass mir Ólöf eigentlich längst hätte vertraut sein müssen, merkte ich erst später: Schon bei múm war sie zu hören – mit Stimme, Gitarre und ihrer berühmten Strohgeige. Letztere bleibt auf „Spíra“ stumm. Stattdessen vertraut sie auf die Rückkehr zum Wesentlichen: Skúli Sverrisson (Bass, Gitarre) und Davíð Þór Jónsson (Piano, Gitarre) bilden ein Trio, das sich blind vertraut und Raum lässt für das, was Arnalds am besten kann: intime Geschichten mit großer Geste, erzählt mit fast nichts.
Inhaltlich bewegt sich „Spíra“ oft zwischen Spiritualität und Entfremdung, familiärer Liebe und poetischer Selbstvergewisserung. Die erste Single ‚Tár í morgunsárið‘ tastet sich an die Leerstelle heran, die Ólöf als Teenager nach dem Abschied vom Katholizismus empfand. ‚Stein fyrir stein‘ widmet sie dem Onkel, der sie nach dem frühen Tod des Vaters auffing. Und ‚Úfinn sjór‘ verwandelt Islands Winterdunkelheit in ein Refugium kreativer Selbstentfaltung.
All das klingt leichter, als es ist – und gerade deshalb so berührend. Spíra ist kein lautes Album; es flüstert. Aber was es sagt, bleibt. Und wenn Ólöf am Ende in ‚Lifandi‘ singt, was für ein glücklicher Zufall es sei, geliebt zu werden, hat man selbst längst das Gefühl, einem seltenen Fund begegnet zu sein.
Ein Album wie ein sanfter Atemzug. Klein, unscheinbar – und genau darin groß.
Bewertung: 11/15 Punkten

Besetzung:
• Ólöf Arnalds – Gesang & Gitarre
• Skúli Sverrisson -Bass Gitarre
• Davíð Þór Jónsson Piano Gitarre
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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.