Carved Into The Sun - Silent Tower

Postrock 
(41:34; Vinyl, Digital; De Mist Records; 10.10.2025)
Dieses dritte instrumentale Postrock-Album – welches zwischen Kalifornien und der Schweiz zusammengetragen und aufgenommen wurde, schließt nahtlos an seine beiden Vorgänger an, welche bereits gehörig Wellengang erzeugt haben und auch „Silent Tower“ folgt qualitativ spielerisch diesem atmosphärischen Pfad.

Im Paket findest Du hochdosiert: Top Sound, Weite, Dunkelheit, ausladende Arrangements und fiebrigen Postrock, wie man ihn als Genre Fan zu schätzen weiß. An den richtigen Stellen weiß man dramaturgisch Wände einzureißen, brechen die schweren Riffs wie ungezügelte Wellen in die Brandung. Ob man dies schon Metal nennen sollte, vermag ich nicht zu sagen. Dicht, mit gehöriger Wall of Sound schwankt man permanent zwischen fast kammermusikalischer Stille und heavy Ausbrüchen.

Fakt ist, den Musikern gelingt es mit viel Feingefühl, aus vor sich hin fließenden, mäandernden Passagen urplötzliche Mauern hochzufahren und diese genrekonform auseinander driften zu lassen. Alles sehr dicht ineinander verzahnt, mahlen die Riffs ihre tragischen Melodien und Bilder wie von allein in des Hörers Herz.

Der Opener ‚Catastrophist‘ schleicht sich eher unbemerkt an, lässt das Album ohne großen Knalleffekt in die Gänge kommen. Ein liebevoll agierendes Cello wird sehr songdienlich in den eh schon massiven Soundteppich mit eingeflochten, muss erst gar nicht die erste, gar dominante Geige spielen. Stattdessen unterstützt es den tragischen Tune mehr Seite an Seite, gibt den Melodien einen klassischen, sehr melancholischen Vibe. ‚At The Mountain’s Mercy‘ klingt auch genauso, perlt mit sanften Gitarren sehr atmosphärisch über den eh immer wieder fein grundierten Teppich.

Schicht für Schicht und ohne Druck und Hast wird Regie geführt. Es werden keine übereilten Bilder formuliert, sondern jeder Ton, jeder Anschlag bekommt Raum und Vibration, spielt sich in teils kargen Doom-Partituren oder majestätischen Bergmassiven direkt durch die Boxen ins Herz. ‚Of Curious Panics‘ schaukelt sich nach und nach emotional hoch mit feierlich zerrenden Riffs.

Tristesse, Bilder in Noir, ein schleppender Zeitlupen Score über knapp 40 Minuten macht Tracks wie den eher kurzen Titelsong und das episch lange ‚What Deepest Remains‘ zu Herzensangelegenheiten und wird für Freunde des ausufernd, mal feingliedrig, mal massiven Postrock eine späte Jahresentdeckung darstellen. Das Album wächst mit jedem Durchgang – Schönheit und Schwermut gehen Hand in Hand den offenkundig eher steinigen, schweren Pfad durch karge Landschaften.
Bewertung: 12/15 Punkten


Besetzung:
• Eric Reifinger: guitars & drum programming
• Artem Molodtsov: bass
• C.E. Brown: cello
• Gabriel Reifinger: keys on ‚At the Mountain’s Mercy‘

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Abbildungen: Carved Into the Sun/Bandcamp