Sierra Veins - In The Name Of Blood

Sierra Veins - In The Name Of Blood (No Shark Prod/Big Wax/Blood Blast; 07.11.2025)
Credit: Førtifem

Dark Wave • EBM • Synthwave • Post Metal
(33:40; Vinyl, CD, Digital; No Shark Prod/Big Wax/Blood Blast; 07.11.2025)
Meine erste Begegnung mit Sierra Veins (nachdem ich sie beim ’23er Roadburn verpasst hatte) fand über den Umweg von The Ocean statt: die Split-Single „Boreal | Traum“, auf der die Berliner ein rein instrumentales Sierra-Stück in einen letzten, elegisch glimmenden The-Ocean-Track verwandelten – und Sierra im Gegenzug Boreal tief in elektronische Subbässe tunkte. Schon damals zeigte sich, dass ihre dunkle, druckvolle Elektronik mehr Berührungspunkte mit Post-Metal besitzt, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Das eröffnende Titelstück bewegt sich gar in Industrial-Gefilden, und das zweite Stück, die Kooperation ‚Memory Celly‘ mit Ghost Dance, richtet sich klar an die Clubszene – eine frühe Markierung des weiten Spektrums, das Sierra aufspannt.

„In The Name Of Blood“, Sierras erstes Album unter dem neuen Namen, führt diese Schnittmenge konsequent fort. Die Pariser Produzentin bleibt zwar mitten im EBM- und Darkwave-Kern verankert, doch die Stimmung ist erneut schwerer, dichter, melancholischer als das meiste aus diesen Gefilden. Gleichzeitig ist das Album ein Werk über Identität und Selbstbehauptung: ‚Ain’t No Woman‘ macht aus dem Wort FREAK ein Manifest.

Das pulsierende ‚Desire‘ kanalisiert inneren Druck in einen pulsierenden, fast fiebrigen Strom.

Das recht dramatische ‚Who I Used To Be‘ treibt industriell voran, mit einer leichten Nine Inch Nails-Note und krachendem Techno-Beat. ‚The One‘ zeigt die cineastische Seite der Künstlerin im Breitbildformat, während ‚My Poison‘ als kleine Hymne konzipiert ist, die auf jeder Elektro- oder Dark-Wave-Party wie eine Bombe einschlagen dürfte.

Bis hierhin dominiert die elektronische Seite, tief verwurzelt in Synthwave, EBM und düsterem Electro. Doch wer bis zum pulsierenden ‚Desire‘ noch nicht komplett abgeholt ist, sollte die beiden Schlussstücke abwarten: ‚It Was Written‘ und ‚The End Of Time‘ öffnen Sierras Sound in eine atmosphärische Weite, die klar an The Oceans „Holocene“ erinnert. Der Club weicht dem Raum, der Beat dem Atem – und plötzlich spannt Sierra Veins jenen Bogen zum Post Metal, den die Split-Single bereits angedeutet hatte.

Damit erklärt sich auch, warum sie längst im Metal- und Post-Metal-Umfeld funktioniert: nicht wegen stilistischer Nähe, sondern aufgrund desselben emotionalen Drucks, derselben dramaturgischen Dunkelheit, derselben Fähigkeit, Klang als Erzählung zu begreifen.

„In The Name Of Blood“ ist kompakt, fokussiert und überraschend vielschichtig – ein Album, das zeigt, wie fließend die Grenzen zwischen elektronischer Schwere, Clubtauglichkeit und post-metallischer Atmosphäre geworden sind.
Bewertung: 9/15 Punkten


Sierra Veins - In The Name Of Blood (No Shark Prod/Big Wax/Blood Blast; 07.11.2025)
Credit: Lily Rault

Besetzung:
Sierra Veins

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Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Pelagic Records zur Verfügung gestellt.