Human Natures - Electric Dreams

Art Pop • Dream Pop • New Artrock
(1:03:06; Digital; Eigenveröffentlichung; 07.11.2025)
Es brauchte nur wenige Sekunden vom Klang, Arrangements und Atmosphäre und ich wusste, diese Portugiesen haben mich mit ihrem Sound vollumfänglich gefangen genommen.

Ein sanftes, behutsames Hineindriften dank verspielter Wellen von Akkorde, experimenteller Klangaromen, einfach wunderschön arrangiertem Zusammenspiel aus nebulösen Gitarren-Spiel, ambienter Klangfelder und fast klassisch arrangierter Chamber Music.

Stell Dir vor: Musiker aus dem Umfeld von Slowdive, Radiohead/The Smile in ihrer schwebenden Variante, No-Man, Cocteau Twins, Piano Magic, Breathless oder den legendären This Mortal Coil vereinen sich zu einem ätherischen Cocktail anno 2025, und irgendwie kommt dann mal schnell ein so unglaubliches Kleinod wie dieses heraus.

Im Fundament ein stets ätherischer Shoegaze-Nebel – fast durchgehend in langsamen, vor sich hin spazierenden Klaviaturen – mit einem nur als wunderschön zu bezeichnenden Gitarren-Sound, welcher an all das Schöne der oben genannten Bands gemahnt. Gerade die guten alten 4AD-Zeiten, der dunkle geheimnisvolle Ghost Pop der Briten von Piano Magic, die sehnsuchtsvolle, schmerzlich-romantische Schwärmerei der New Yorker Cemeteries, das Verhuschte der Briten von Breathless werden hier zu einem Schmelztiegel romantisch-verklärter Gitarren-Wave-Klänge, die in Sachen Atmosphäre in ein Meer aus anspruchsvollen Traumlandschaften einladen, die mit ordentlich viel Melancholie aufgeladen sind.

Mit Unterstützung des Almedina Ensembles, vielen sehr gelungenen instrumentalen Parts (‚Electric Dreams II-IV‘) bekommt die Musik dank der teils üppigen Laufzeiten zwischen sechs und sieben Minuten ihren wohlverdienten Platz, sich genüsslich in vollumfänglicher Pracht aufzublättern. Der Bandsound ist einfach liebevoll, warm und vollmundig – viele vibrierende, an Hammock gemahnende Ambient-Echos geben dem eh schon wundervollen Gitarrensound zwischen Post und Cinematic Rock/Pop eine zusätzlich vertiefende Nuance.

Mehrstimmige Balladen wie ‚The Meaning Song‘ verströmen friedliche und sanfte Energien, Harmonie und einen verklärten Blick durch die Wolken. Es sind die vielen Details, ein immer wieder vorsichtiges auftürmen im angedeuteten Dynamik-Spiel – weibliche und männliche Vocals in sehnsüchtigen Duetten und filigrane Piano-Parts tragen wohl schwer romantischen Ballast im Rucksack.

‚Skies‘ oder ‚The Ocean‘ sind mit diesen fernblickenden Melodien gesegnet, zu den man besser nicht im Liebeskummer feststecken sollte, sonst fressen einen die ansteckende Melancholie und Sehnsucht dieser ätherischen Kompositionen mit Haut und Haaren auf. Wie schön die traurigen Synths und Bass-Spielereien etwas fast Surreales, komplett Weltentrücktes transportieren – einfach nur danke für diese unglaublich schönen und verletzlichen Kompositionen.

Etwas jazzig verspielt, latent düster rockt man in ‚Tides‘ und wirbelt zwischen all dem Schön-Klang etwas Staub auf – gut so. ‚The Now‘ hat einen fast sakral-hippiesken, surrealen 60’s Tune und das neopsychedelische, an Midlake gemahnende ‚Simple Feelings‘ setzt als letzter, sehr euphorischer Song den liebevollen Schlusspunkt. Die hoch talentierten Briten von Piano Magic waren seinerzeit eine Band, die völlig unterm Radar ein brillantes Studio-Album nach dem anderen veröffentlichten. Human Natures stehen ganz klar in der Tradition dieses dunklen Alternative -Pop-Juwels.

„Electric Dreams“ ist über eine Stunde romantisch aufgeladenes Post-Rock-/Art-Pop-/Ambient-Kino – elegante, mit viel Liebe zum Detail und Gespür für Atmosphäre arrangierte Stücke, die mal wieder wie die berühmte wärmende akustische Decke funktionieren. Top Album für Nachtschwärmer!
Bewertung: 13/15 Punkten


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Abbildungen: Human Natures/Bandcamp