Hei'An - Kiss Our Ghosts Goodbye

Progressive Metal • Post Metal • Metalcore • Industrial
(44:10; Vinyl, CD, Digital; Blood Blast Distribution; 25.09.2025)
Als Hei’An für das ProgPower Europe 2023 angekündigt wurden, waren die Slowenen für mich ein unbeschriebenes Blatt. Und ehrlich gesagt: Zwei Jahre später hat sich daran kaum etwas geändert. Nicht, weil sie nichts zu sagen hätten – im Gegenteil. Aber musikalisch blieb von ihrem damaligen Auftritt in Baarlo wenig hängen. Ein bisschen Prog Metal, eine gute Portion Metalcore, solide, aber unscheinbar und kalt. Was sich hingegen eingebrannt hat, ist das Bild von Sänger Aljaž Novak (Harsh Vocals), eingehüllt in ein an eine Mönchskutte erinnerndes Gewand mit Kapuze – ein Bild, das sich nun auch auf dem Cover ihres neuen Albums „Kiss Our Ghosts Goodbye“ wiederfindet.
Diese visuelle Konsequenz passt erstaunlich gut zum zweiten Werk der Band, das vieles klarer und fokussierter wirken lässt als der etwas suchende Vorgänger „Imago“. Hei’An wissen nun, wer sie sind. Und sie wissen vor allem, was sie sagen wollen.
Frontmann Matic Blagonič hat die symbolische Ebene weitgehend abgelegt und schreibt offener denn je über Krankheit, Zurückweisung, gesellschaftliche Schieflagen und innere Befreiung.
Jeder Song ist ein Geist aus meiner Vergangenheit
sagt er – und tatsächlich klingt dieses Album wie ein Dialog mit all den Dingen, die man nicht loswird, bis man sie beim Namen nennt.
Musikalisch bleibt Hei’An im Grenzgebiet zwischen modernem Metalcore und Post-Metal, streift aber immer wieder elektronische und poppige Gefilde. V.a. im Sounddesign erinnern die Slowenen immer wieder an TesseracT, doch wo die Briten ihren Stilix mit Djent-Riffs untermauern, stehen bei Hei’an Elemente aus dem Industrial, was sich bereits deutlich im Opener ‚Aberration‘ zeigt. Und noch einiges mehr, denn beim Einsatz ihrer Electronica lässt das Quintett, ganz besonders bei ‚Beneath The Striking Moon‘, immer wieder Bands wie Depecho Mode und Spätneunziger Paradise Lost aufblitzen.
Produziert wurde das Ganze gemeinsam mit Randy Slaugh (Architects, The Amity Affliction), gemixt von Joseph McQueen und Zakk Cervini, was „Kiss Our Ghosts Goodbye“ einen druckvollen, internationalen Sound verleiht, der gleichzeitig Raum für Zwischentöne lässt.
Bereits die Vorabsingles zeigten die Band in neuer Balance: ‚What A Shame‘ attackiert blinden Fanatismus mit düsterem Drum’n’Bass-Unterton und massiven Breakdowns – ein Stück, das in seiner Wut erstaunlich klar bleibt.
‚Make Me Want To Leave You‘ wiederum ist ein Bekenntnis zu Liebe und Identität, getragen von Aljaž Novaks harschen Vocals, die sich kraftvoll gegen jede Form von Bigotterie stemmen. Dass Matic Blagonič und Aljaž Novak als Paar offen über ihre Beziehung singen, verleiht dem Song eine Ehrlichkeit, die in diesem Genre selten ist.
Mit ‚Liberated‘ und ‚What Do You Have To Save?‘ findet die Platte schließlich ihren emotionalen Höhepunkt. Ersterer Song feiert die kathartische Kraft der Kunst.
Zweiterer fragt mit beinahe poppiger Leichtigkeit, ob in dieser Welt überhaupt noch etwas zu retten ist.
Zwischen beiden Polen entfaltet sich das Spektrum dieses Albums – verletzlich, kämpferisch, und immer wieder überraschend melodisch.
„Kiss Our Ghosts Goodbye“ ist kein Konzeptalbum, doch es funktioniert wie eines: Die Themen ziehen sich durch, die Atmosphäre bleibt dicht, die Dramaturgie stimmt. Hei’An gelingt der Spagat zwischen Härte und Empfindsamkeit, zwischen Pathos und Präzision. Wo viele Bands ihres Schlages sich in Effektgewitter verlieren, finden sie eine eigene Stimme – modern, emotional, ehrlich.
Und so bleibt am Ende mehr hängen als nur das Bild eines Sängers in einer Kutte. Hei’An haben ihre Geister tatsächlich geküsst – und sind daraus als eine gereifte, charakterstarke Band hervorgegangen, die ihre Verletzlichkeit zur Stärke gemacht hat.
Bewertung: 11/15 Punkten
Tracklist:
1. ‚Aberration‘ (03:15)
2. ‚My Harness‘ (05:07)
3. ‚What a Shame‘ (03:37)
4. ‚To Let You Down‘ (05:28)
5. ‚Dearest‘ (05:42)
6. ‚Beneath the Sinking Moon‘ (03:46)
7. ‚Undertow‘ (04:46)
8. ‚Make Me Want to Leave You‘ (03:31)
9. ‚Liberated‘ (05:00)
10. ‚What Do You Have to Save?‘ (03:58)

• Matic Blagonič – clean vocals
• Aljaž Novak – harsh vocals
• Matevž Počič – guitar
• Peter Smrdel – bass
• Gaj Bostič – drums
Surftipps:
• Linktree
• YouTube
• Rezensionen, Liveberichte & Interviews
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Oktober Promotion zur Verfügung gestellt.