Shipwreck Orchestra - Lost Maps & Long Barrows
Progressive Rock • Jazz • Orchestral Chamber Folk
(59:59; Digital; Eigenveröffentlichung; 11.07.2025)
Der Multi-Instrumentalist Aaron Miller steht für diesen musikalischen Erguss, diesen opulent verspielt einstündigen Film. Ja die Musik ist so very British, evoziert Afternoon Bilder, erzählt kleine unaufgeregte, sehr menschliche Geschichten, hat Harmonie, Melancholie, Fernweh, Sensibilität und einiges an verspielter Attitüde im Gepäck. Mit allerhand versierten und prominenten Gastmusikern vollzieht das Shipwreck Orchestra seine Reise durch Berg und Tal, kleine Städte, unbekannte Orte und Du wirst Dich als Hörer – so Du Lust auf diese feine, sensible Gangart hast – in jeder Sekunde angenommen und willkommen fühlen.
Dieses Gefühl ist irgendwie das zentrale Thema dieser Platte: sich willkommen fühlen, einfach in Gedanken mitzuziehen, mal mit etwas wehmütigen Tönen, aber nie düster. Schon reflektierend, innehaltend agieren tolle Streicher-Arrangements, leichtfüßig jazzige Partituren, die mich hier und da an eine Folk-lastigere Version der Norweger von Jaga Jazzist erinnern.
Die Musiker visualisieren kleine, liebevolle Bilder an die imaginäre Wand, spazieren durch saftig grüne Wälder, herbstlich getönte Flure und der stets sanfte, an Chamber Folk der frühen Seventies gemahnende Sound strahlt eine so unglaublich friedvolle Atmosphäre aus, die ich nur als einladend wahrnehme. Es ist die Art von Sanftmut, von Stille, die dank handwerklicher Klasse das Unmerkliche im Kleinen ganz groß erscheinen lässt. Die Produktion – die vielen kleinen Details im Spiel des Piano – wie die Gitarren sanft durch den spätsommerlichen Blätterwald tänzeln – eine Art Toleranz und Frieden im Spiel entwickeln – der gleichzeitig Aufmerksamkeit einfordert, aber auch mal hintergründige Kulisse sein darf. Man pendelt zwischen längeren, oft sechs-siebenminütigen Stücken, die von kurzen Intermezzi überbrückt werden dürfen.
Melancholische Trompeten im fast siebenminütigen ‚Thirteen‘ oder driftend schöne Akkorde in ‚The Copper Palace‘ – ein stets sanftmütig progressiver Folk/Jazz federt leicht durch die Flure, wirft naturnahe Farben wie braun oder sattes grün vor mein geistiges Auge, sodass ich mich in dieser Platte gemütlich gebettet fühle und die Stunde Musik stets unmerklich und sanft berauscht an mir vorbei zieht und mich trotzdem auf sehr spezielle Weise durch den späten Nachmittag zu führen weiß. Dank an Aaron Miller und seine Mitmusiker für diese liebevolle, unaufgeregte Stunde Balsam-Musik.
Bewertung: 11/15 Punkten
Besetzung:
• Aaron Miller – Elektrische und akustische Gitarren, Bass, Kontrabass, Klavier, Keyboards, Trompete, Drehleier, Mandoline, Mandola, Konzertina, Hackbrett, Schlagzeug, Gesang
Gastmusiker:
• Hannah Miller – Cello (Moulettes, The Levellers)
• Mikey Simmonds – Violine, Bratsche & Schlüsselfidel (Moulettes, The Levellers, Alice Russell)
• Emma Gatrill – Harfe (Nick Cave, Broken Social Scene, Laura Marling)
• Sam Dorrell – Posaune & Euphonium (Moulettes, Iron Boot Scrapers, Charlotte Glasson)
Surftipps zu Shipwreck Orchestra:
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Abbildungen: Shipwreck Orchestra