Opeth, Paatos, 30.09.25, Esch-Uelzecht (LU), Rockhal Box
Progressive Metal • Death Metal • Jazz Rock
Schweden im Doppelpack:
Es gibt Bands, die man irgendwann einfach abhaken kann. Und es gibt Opeth. Seit über drei Jahrzehnten treiben die Schweden ihr Publikum durch ein Wechselbad aus Death-Metal-Growls, Prog-Eskapaden, Jazz-Momenten und ironischen Ansagen. Wer nach 14 Studioalben noch immer nach Stringenz sucht, hat die Grundidee vermutlich nicht verstanden. In Esch zeigte sich einmal mehr: Das Unerwartete ist das einzig Verlässliche.
Paatos
Doch zunächst gehörte die Bühne Paatos – eine Band, die man in dieser Konstellation wohl nicht zwingend erwartet hätte, die aber im Nachhinein kaum passender sein könnte. Frontfrau Petronella Nettermalm präsentierte sich stimmsicher, mit klarer Präsenz und doch einem Hauch zu viel Statik in der Performance. Ihre Stimme saß, ihre Ansagen ebenso: redselig, charmant, manchmal kauzig – eine gute Mischung, die den Saal sofort für sie einnahm.
Musikalisch knüpfen Paatos an die alte Schule des Prog an, die nicht von Härte lebt, sondern von Groove und Atmosphären. Trip-Hop-Elemente mischten sich mit jazzigen Untertönen, immer im warmen 70s-Gewand, das dem Sound einen ganz eigenen Charakter verlieh. Besonders das (mir namentlich unbekannte) schwedischsprachige Stück mit leichtem Jazz-Touch zeigte, wie gut die Band Spannung aufbauen kann, ohne sofort alles aufzulösen – manchmal fast zu wenig Ausbruch, aber dann auch wieder mit deutlichem Druck.
Bemerkenswert dabei: der Sound. Alle Instrumente waren klar herauszuhören, nichts wirkte matschig oder fehl am Platz, und so konnte man die Feinheiten des Zusammenspiels genießen. Gerade im letzten Stück ‚Last Ones Of Our Kind‘ spielte die Band ihre Stärken aus: Led Zeppelin trifft Jazz, dazu ein Schlagzeug, das mehr rockte und knarzte, als man es Paatos zunächst zugetraut hätte. Am Ende dann Petronellas Stimme, die noch einmal richtig aufdrehte und mit Volumen und Kraft den Hut-ab-Moment setzte.
In der Halle wirkte das Ganze stimmiger als noch beim Midsummer Prog in Maastricht. Hier in Esch passte es besser – die Wärme des Sounds, die Nähe zur Bühne, das Flair. Und spätestens als der letzte Akkord verklungen war, konnte man festhalten: Paatos mögen keine Rampensäue sein, aber sie haben genau die Art von kauzigem Oldschool-Prog im Gepäck, die perfekt zu Opeths eigenwilliger Welt passt.
Besetzung:
• Petronella Nettermalm – Gesang
• Ricard Nettermalm – Schlagzeug, Gesang
• Peter Nylander – Gitarre
• Ulf Ivarsson – Bass
Opeth
Um Punkt 20:45 Uhr begann das eigentliche Ritual. ‚Seven Bowls‘ von Aphrodite’s Child vom Band, und dann, mit ‚§1 vom neuen Album, die volle Death-Metal-Breitseite: Schwere Riffs, und Mikael Åkerfeldts Growls, die so mancher in dieser Form schwerlich vermisst hatte. Ja, er kann noch. Und er will auch.
Doch wer eine Komplettaufführung des neuen Konzeptalbums „The Last Will & Testament“ erwartet hatte, musste sich mit drei Songs begnügen. Stattdessen stellte die Band einen Querschnitt zusammen, der die gesamte Spannbreite abbildete: von ‚Master’s Apprentices‘ mit unverkennbarer Steven–Wilson-Handschrift über das unverwüstliche ‚The Leper Affinity‘ bis hin zu einem raren Schatz wie ‚The Night And The Silent Water‘ vom ’96er „Morningrise“, der zeigte, wie früh Opeth schon progressive Strukturen, doomige Wucht und akustische Intimität miteinander verflochten.
Zwischen den Songs das übliche zweite Opeth-Set: die Ansagen. Mikael in Bestform – plauderte über Taxipreise Sightseeing in Luxemburg
We went to churches and prayed. We didn’t. We went to churches and didn’t pray.
über die 90er
Apart from myself, the 90s were shit
über Singer/Songwriter wie Nick Drake, Paul Simon und Johnny Mitchel und wie ihr Open Tuning seinen Gitarrenstil auf “ Ghost Reveries“ beeinflusste. Er schwärmte vom Mahavishnu Orchestra, vom Vinylformat und disste nebenbei den CEO eines schwedischen streaming-Giganten. Mal ironisch, mal ernst, aber immer charmant. Das Publikum schwankte zwischen Zurückhaltung und Begeisterung – woraufhin Åkerfeldt trocken feststellte:
Enjoy yourself – you don’t have to be reserved!
Musikalisch blieb der Abend eine permanente Gratwanderung: das sinistere ‚Devil’s Orchard‘ samt psychedelischer Visuals wie einst bei Pink Floyd, im Kontrast das akustisch schimmernde ‚To Rid The Disease‘ mit einleitenden Snipets aus ‚Shine On You Crazy Diamond‘ – Gänsehaut pur. Dann wieder ein sperriges neues Stück wie ‚§3‘, schwer verdaulich, aber typisch Opeth, und das uralte ‚Heir Apparent‘, das als Death-Metal-Dampfwalze durch den Saal rollte, bevor ein Gitarrensolo auch den Prog-Fans den Abend rettete.
Nach fast zwei Stunden die scheinbare Verabschiedung, die natürlich nur eine kurze Atempause war. Im Zugabenteil dann ein kleiner Gag: Songwünsche, die zuvor lapidar mit
No, not that
oder
Wrong tuning
abgewiesen wurden, tauchten plötzlich als Fragmente auf – ‚Bleak‘, ‚A Fair Judgement‘, ‚Blackwater Park‘ und ‚Creedence‘. Keine vollständigen Stücke, aber eine Geste, die man nicht vergisst. Der eigentliche Schlusspunkt folgte mit dem Titeltrack von „Deliverance“: knapp 15 Minuten, in denen die Schweden noch einmal ihr gesamtes Repertoire auffächerten – von akustischer Zerbrechlichkeit bis monumentaler Prog-Geste.
Opeth haben ihre Fans längst darauf trainiert, das Unerwartete zu erwarten. Und doch war dieser Abend in Esch mehr als nur routiniertes Tourprogramm: eine Feier ihrer stilistischen Vielfalt, getragen von einem Sänger, der gleichzeitig Entertainer, Geschichtenerzähler und Musiker bleibt. Wer nach diesem Konzert noch zweifelt, warum Opeth in einer ganz eigenen Liga spielen, hat den Kern dieser Band nie verstanden.
Besetzung:
• Mikael Åkerfeldt – Gesang & Gitarre
• Martín Méndez – Bass
• Fredrik Åkesson – Gitarre & Backing Vocals
• Joakim Svalberg – Keyboards, Piano, Background Vocals, Perkussion
• Waltteri Väyrynen – Schlagzeug
Fotos: Prog in Focus
Chaffeur & Support: Frank Schenkelberg
Surftipps zu Opeth:
Homepage
Linktree
Bandcamp
YouTube
Wikipedia
Rezensionen & Liveberichte
Surftipps zu Paatos:
Homepage
Bandcamp
YouTube
Wikipedia
Rezensionen & Liveberichte
Weitere Surftips:
• Veranstalter & Venue