Anna Von Hausswolff - Iconoclasts

Avantgarde Pop • Modern Goth Pop • Nordic Atmospheric Pop
(73:01; Vinyl, CD, Digital; Year0001; 31.10.2025)
Eins vorweg, ich hab mich schon vor langer Zeit in die kleine Schwedin verliebt, ihrer Art zu performen und mit ihrer Stimmgewalt Berge zu versetzen. „Dead Magic“ war aus meiner Sicht schon ein fast perfektes düsteres nordisches Märchen, nun traut sich Anna auf „Iconoclasts“ endlich noch mehr Kontraste, Pop und Melodie zu. Dass sie mit dem letzten Instrumental-Album „All Thoughts Fly“ alles andere als auf Nummer sicher ging, sollte man als künstlerisch integer einstufen und dieses ausufernd/progressive nordische Pop Album braucht natürlich Anläufe, weil da einfach wahnsinnig viel Facetten aufbereitet wurden.

Ähnlich einer Kate Bush ist hier Pop nicht gleich Pop im herkömmlichen Sinne, nein die Schwedin kombiniert mit einer spielerischen Genialität und kreativen Lässigkeit Avantgarde Rock, Pop, orchestrale Postrock-Elemente, Ambient, Drone und Experimentelles auf knapp 80 Minuten zu einem wundervollen Album, aus dem man sicher noch oft genug Kraft, Inspiration und Spiritualität schöpfen kann.

Ähnlich der speziellsten Female Art Pop Künstlerinnen der Musikhistorie zeigt die von Hausswolff ihre Bandbreite vom Hexenhaften bis Feen-gleichen Engelsgesang, bindet das düstere einer Nico, Diamanda Galas mit den strahlend, verspielt einnehmenden Momenten einer Kate Bush. Gerade im niemals endenden Titelsong reißt die Schwedin mehrmals die Wolkendecke auf – vereint herzzerreißende Melancholie, Sehnsucht, euphorische Glückseligkeit mit triumphalen Drums, organisch rhythmisch aufbrechender Ekstase, dass es so richtig schön schmerzt und gleichzeitig euphorisiert.

Die Intensität ist permanent am Siedepunkt und ambiente, Soundtrack-artige Kulissen werden mit wunderschönen Chören, Vocal-Spielereien immer wieder in die Ruhe geführt. ‚Aging Young Women‘ im Duett mit der ebenfalls wunderbaren Ethel Cain (checkt deren letztes Meisterwerk „Willoughby Tucker, I’ll Always Love You“) ist orchestraler Songwriter Pop, wie er schöner und berührender nicht geht.

Es gibt so wahnsinnig viel in diesem Album zu entdecken, welches von dem kleinen Energiebündel mit einem Selbstbewusstsein delegiert wird und Pop, Avantgarde, progressiven Rock, Postrock und elektronische Experimente wie selbstverständlich verschiedenste Tänze miteinander aufführen lässt. Ähnlich den Isländern von Sigur Rós, Björk oder der Experimentierfreude einer Band wie Ulver vereinen sich Leidenschaft, Kreativität, Unkonventionelles mit purem nordischen Schönklang. Ambiente Rückzüge, angedeutete Kakophonie und Saxophon in ‚Consensual Neglect‘ – alles ist möglich und ein Jan Garbarek oder auch Sunn O))) sind hier jeweils nicht weit entfernt. ‚Struggle With The Beats‘ ist flirrender, rhythmisch pulsierender Bombast-Pop mit wilden Drums, jubilierendem Saxophon und einem unglaublichen Wahnsinns-Gesang – Grenzen gibt es zum Glück keine bei über knapp neun Minuten.

Natürlich haben die Swans vor Jahren schon mit ihrer offenen Art des Experimentierens tiefe Spuren bei der gemeinsamen Tour hinterlassen und ein feierliches Duett mit einem sonoren, brüchig verletzlichen Iggy Pop fühlt sich wie eine warme Decke an. Mit dem stets atmosphärisch agierenden Saxophon von Otis Sandsjö hat man eine zusätzlich wundervoll agierende Sound-Facette im Gepäck, die das eh so viel breiter aufgestellte Spektrum noch verspielter und voluminöser bereichert.

Diese Platte wird noch wachsen, sich vertiefen, einverleiben und zeigt für die kreative Schwedin viele neue Wegkreuzungen auf – scheut sie sich einfach niemals zu experimentieren, neue Wege zu finden (allein was hier mit den Vocals ständig passiert). Der Anspruch mit Atmosphäre, Klangmalerei und eingängigen Elementen zu spielen, lässt hier und da einiges mehr an Licht/Hoffnung und fast Gospel-artig nordischer Spiritualität zu, sodass ich dies alles erstmal sacken lassen muss. „Iconoclasts“ ist groß, mächtig, verrückt, nichts für zwischendurch in einer Welt der kurzen Aufmerksamkeitsspanne, sinnentleerter Klicks und innerer Unruhe. Ein spirituelles, erneut sehr emotional aufwühlendes Meisterwerk ist „Iconoclasts“ und dies wird die Schwedin im Feuilleton zu neuen Ufern führen, da bin ich mir ganz sicher.
Bewertung: 14/15 Punkten

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Abbildungen: Anna Von Hausswolff/Bandcamp