Ne Obliviscaris, Soulsplitter, Precipitation, 07.08.25, Würzburg, Posthalle

Proggy Horror Picture Show

Eines von nur zwei Headliner-Konzerten der australischen ProgMetal-Größe Ne Obliviscaris- und das von uns mit Freuden präsentiert sowie mit einem Gewinnspiel beworben: Dafür kann man sich schon mal von Bonn ins wunderschöne Würzburg verfügen. Zumal sich man dort ja auch auf die Gesellschaft von Betreuer Raphael freuen kann…

Also gesagt getan. Bei der Hinreise verblüffte die Deutsche Bahn damit, dass alles so passierte, wie angekündigt. Man soll ja auch schon Einhörner vor der Apoth… Die gebuchte Unterkunft ist ohnehin langjährig als ausgesprochen charmant bekannt. Und als die Betreuer bei prächtigstem Sommerwetter in einem reizvollen Biergarten nahe der Residenz das Wiedersehen feiern konnten, waren alle Zeichen für einen lustvollen Heavy-Prog-Abend in der Posthalle zu Würzburg gesetzt. Die PoHa entpuppte sich im Folgenden als vergleichsweise riesig, allerdings auch als für diesen Anlass zu ca. ¾ der Fläche abgehängt. Da sich der in der Halle gefahrene Sound im Folgenden als exzellent erwies, ist es um so tragischer, dass die Tage dieser Location zumindest als Konzertaustragungsort gezählt sein sollen, wie Raphael leider zu berichten wusste.

Precipitation

Als es um kurz nach Sieben bereits los ging, hatte leider erst eine überschaubare Zahl von Zuschauern den Weg in die PoHa gefunde. Und um schonungslos ehrlich zu sein, hatten auch wir diese Formation aus Babenhausen vor dieser Ne-Obli-Mini-Tour überhaupt nicht auf dem Schirm. Umso schöner die Begegnung dieses Abends. Die Südhessen stellen sich auf ihrer Homepage wie folgt vor: „Die auf Metal basierenden Songs kommen mit einem bluesigen Feeling und einem Hauch von klassischer Musik, sowie einigen jazzigen Stilen daher.“

Setlist:
Precipitation
Hypothesis
My Denial
Tentin Quarantino
Thirdy (noch unveröffentlicht)
Cosmic

Spätestens im Verlauf von ‚My Denial‘ war die Begeisterung bei uns aber bereits erheblich. Der Sakko-gewandete Sänger/Bassist Till Bade kann sowohl amtliche Growls wie auch sehr starken, „grungigen“ Clean-Gesang (Till grinsend nach dem Gig: „Da könnte schon etwas dran sein, ich habe mal in einer Grunge-Coverband gesungen“).

Die Kompositionen sind sowohl eingängig wie vielteilig-komplex, die Live-Interpretation herrlich „verspielt“. Precipitation (deutsch: Niederschlag) sind wohl ursprünglich ein Trio, hatten sich hier aber (permanent?) mit einem zweiten Gitarristen (mit Rudolph?) zum Quartett verstärkt. Apropos: generell bemerkenswert gute Gitarrenparts mit auffallend vielem, sehr gekonntem Flageolett-Einsatz.

Das schelmisch betitelte und besonders melodische ‚Tentin Quarantino‘ krempelte alle diese Stärken besonders nach außen. Nur fair also, dass die sympathischen Precipitation nach ihrem Gig vom sich kontinuierlich füllenden Auditorium ordentlich gefeiert wurden. Doch auch die ganze Zeit zuvor war ihnen der riesige Spaß an dem Auftritt anzumerken gewesen.

Soulsplitter

Diese Band ist für gleich mehrere Redaktionsmitglieder etwas ganz Eigenes. Und besonders wurde auch dieser Auftritt wieder. Das splitterige Piano-Intro von ‚The Moloch‘ (mit Cello als Sample) führte in die aufregend avantgardistische – in der Malerei wäre das wohl Avant-Expressionismus – Klang-, Worte- und Bilderwelt von Soulsplitter ein. Und in das bahnbrechende Material von „Salutogenesis“. ‚Glass Bridge‘ stammt vom ´22er Nachfolger „Connection“ und ist sowohl Gemälde wie Gedankenreise.

Das Thema der (bzw. des Ringens um) Selbsterkenntnis ist bei Soulsplitter häufig wiedererkennbar, so auch bei ‚Erosion‘ („I can’t fight against my nature“). Das sogar auf einer lateinischen Coda endet: „Lacrimosa dies illa, Judicandus homo reus, Huic ergo parce deus.“ (Bei Wolferl Mozart: „Thraenenvollster aller Tage, wenn die Welt der Asch‘ entsteiget, sündvoll sich dem Richter neiget…“

Setlist:
1. The Moloch
2. Incineration
3. Glass Bridge
4. Erosion
5. The Maze
6. The_Algorithm

Ne Obliviscaris

Die australischen Headliner, bei einem ihrer raren Auftritte in Europa, würden all dies jetzt aber doch noch locker toppen? Erstaunlicherweise haben wir das nicht ganz so erlebt. Klar ist das Setting erst einmal beeindruckend: Teufelsgeiger und clean vocalist Tim Charles, scharf kontrastiert von den Growls von James Dorton. Die sanften, melodischen, fast folkigen Parts, abwechselnd mit aggressiven Progressive Death. Aber irgendwann hat man es dann auch mal verstanden. So überraschend die beiden vorgegangenen Konzertteile (trotz inniger Kenntnis zumindest einer der Bands) gewesen waren, so vorhersagbar war dieses ganze Gewüte letztlich nach schon zwei Stücken.

So richtig progressiv, aufwühlend und episch-lang wurde es dann aber doch noch mal, bei ‚Painters of the Tempest, Pt. II (Triptych Lux)‘, glaube ich zumindest.

In Summe ein wunderbar intensiver Konzertabend.

Live-Fotos: Raphael Lukas Genovese


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