Im Gespräch mit Frank Mühlenberg, Welcome Inside The Brain

»Prog ist eigentlich mega out!«

Mit „Re:Creation“ gibt es nun tatsächlich das Album von Welcome Inside The Brain, das schon 2022 angekündigt wurde, dessen Release sich aber aufgrund besonderer Umstände dann doch um drei Jahre verschoben hat. Das Ding mit dem schwierigen dritten Album scheint einmal mehr Gültigkeit zu haben. „Re:Creation“ ist aber nicht nur Zäsur und Neuanfang, sondern selbst eine Offenbarung in Prog Rock, mit wuchtigen Hammondsounds, zahlreichen Breaks, einer gewissen Sperrigkeit und zeitkritischen Themen. Sänger Frank Mühlenberg steht uns an dieser Stelle Rede und Antwort… 
Welcome Inside The Brain - Bildquelle/Coypright: WitB
Kann man hinsichtlich „Re:creation“ tatsächlich von dem schwierigen dritten Album sprechen?

Der Musikmarkt pfeift auf uns, wir pfeifen auf den Musikmarkt.

Frank: Der Eindruck mag von außen entstehen: Erst sechs Jahre nach dem zweiten Album, erst drei Jahre nach der Recording-Session und in ziemlich neuer Besetzung erscheint nun der dritte Langspieler der Band. Und natürlich sind die äußeren Rahmenbedingungen deutlich ungünstiger geworden: Die Monopolisierung der Player, die Expotentialisierung der Zahlen und die Eventisierung von Konzerten lassen immer weniger Luft für kleine und mittlere Bands – und grundsätzlich müssen alle immer schneller laufen, um das einmal erreichte Level zu halten. Von daher ist das Album in eine Zeit gefallen, in der die Rahmenbedingungen noch einmal deutlich schwieriger sind als vor zehn Jahren.Andererseits gilt ein drittes Album wahrscheinlich als besonders schwierig, da sich über zwei Alben häufig eine gewisse Erwartungshaltung an das da Kommende etabliert hat. Wird diese erfüllt, liegt der Vorwurf nahe, dass einer Band nichts Neues mehr einfällt. Wird diese nicht erfüllt, besteht immer die Gefahr, denjenigen, die bisher mit einer Band etwas anfangen konnten, vor den Kopf zu stoßen. Um es klar zu sagen: Diesbezüglich war es kein schwieriges Album. Erwartungshaltungen haben uns nie interessiert. Der Musikmarkt pfeift auf uns, wir pfeifen auf den Musikmarkt. Wir haben in der Pandemie die Zeit gehabt, ein fantastisches neues Team zusammenstellen zu können und es ist ein absoluter Genuss, mit diesen Jungs arbeiten zu können.

Warum dauerte der Produktionsprozess denn nahezu drei Jahre?

Frank: Die Band hat ihr eigenes Tempo, das ist wichtig. Die Band ist harte Arbeit, aber darf sich nie so anfühlen. Wir suchen die Öffentlichkeit, wenn wir was zu sagen haben. Wenn nicht, dann nicht. Wir haben das Album im Januar 2022 innerhalb von vier Tagen im Echolux Studio/Leipzig komplett eingespielt. Dann ging es aber auch darum, dass die neue Besetzung live erst mal auf sich aufmerksam macht. Für die Arbeitsweise und den Fortbestand der Band haben wir vielleicht folgende Faustregel gefunden: Lieber langsam und lange als schnell und kurz ;-).

„Re:Creation“ – Zäsur? Neuanfang? Ist danach eventuell eine „neue“ Band entstanden?

Frank: Eine Zäsur – sicherlich. Aber der Spirit – das Gefühl, ganz Unseres machen zu können und das mit aller Hingabe zu tun, die Herangehensweise, die Songs aus dem unmittelbaren Moment heraus immer wieder neu und anders aufzubauen, das Spiel der Dynamiken wirklich auszukosten und zu genießen – dieser Spirit ist derselbe. Keine neue Band. Eine neue Phase für den lebendigen Organismus „Welcome Inside The Brain“.

Bauen eure Songs eher auf Kompositionen oder, in der Psychedelic üblich, auf Improvisationen auf?

Frank: Hier gibt es keine ganz allgemeingültige Antwort. Da wir in dem Zeitraum, in dem die ersten Songs des neuen Albums entstanden, teilweise noch nicht einmal vollständig besetzt waren, ist hier der bewusste Kompositionsanteil sicherlich höher als bei den Vorgängeralben. Aber auch diese Kompositionen leben dann massiv davon, dass sie im Moment gemeinsam geatmet werden und in Schwingung geraten. Das muss sich immer neu und immer anders erspielt werden.

Welcome Inside The Brain - Copyright: WitB

Schwergewichtig auch eure Texte, die hinsichtlich der derzeitigen Krisen aus einer Vielzahl an Themen wählen können. Ist „Re:creation“ eventuell der Soundtrack für den Untergang? Grund zum Verzweifeln? Oder seid ihr doch noch positiv eingestellt?

Frank: Zweifel ist immer wichtig, denn wer nicht zweifelt, überhöht sich zwangsläufig. Doch Verzweiflung führt unweigerlich zur Passivität. Die Gegenseite – die Trumps, Spahns, Putins und Weidels – kennt keine Zweifel und schafft gerade in einem rasenden Tempo Fakten. Wir haben kein Recht auf Verzweiflung! Es gibt derzeit keine kongruenten Erzählungen mehr und das macht uns als Menschen natürlich fertig. Momentan erleben wir aber auch, dass in nahezu jeder Entwicklung schon unmittelbar die Gegenentwicklung nicht nur angelegt, sondern in vollem Gange ist. Das zieht sich eigentlich durch all unsere Texte. Alles scheint auf allen Ebenen miteinander verwoben und doch verlieren wir scheinbar gerade sämtliche übergeordnete Sinnstrukturen. Im Bruch bekommen wir den Bruch nicht gegriffen. Und das spüren wir alle. Wo ein fester Stand immer schwieriger wird, hilft nur noch eine klare Haltung und diese hat sich am konkreten Umgang mit vermeintlich Schwächeren zu messen.
By the way: Klassenkampf wurde in den letzten 40 Jahren ausschließlich „von oben“ betrieben. Spätestens jetzt müssen wir aber mal wieder ran an die Buletten. Künstlerisch kann man das sehr gut annehmen, da scheinbar unzusammenhängende Fragmente doch stets aufeinander verweisen können und die Absurditäten des Alltags eine ganz eigene Logik des Weltzugangs erlauben. Diesbezüglich haben wir mit unserer Arbeitsweise Hochkonjunktur, während – und hier stimmt natürlich auch gleich wieder auch das Gegenteil – Prog eigentlich mega out ist.

Was kommt nun als nächstes für die Band?

Frank: Ich denke, wir machen einfach weiter, was wir am besten können: Unser Ding 😉

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