Sun After Dark - Tatkraft
(50:21; CD, Digital, Vinyl; Hammerheart Records, 13.06.2025)
Nun ja, da sind ja einige relevante Musiker aus dem süddeutschen Raum vertreten in Sun After Dark. Thomas Helm (Empyrium) und Benjamin König (Ex-Lunar Aurora) darf man als Kern verstehen, weitere Beteiligte aus dem Dark Fortress und Mosaic-Bandgefüge komplettieren das spannende Prozedere. Mittlerweile sind Helm und König wohl nur noch als Duo unterwegs und mit „Tatkraft“ steckt man ein Feld ab, bei dem sich fast zwangsläufig die vorangegangenen musikalischen Ergüsse wiederfinden. Meist getragen, hier und da mit Black Metal, aber auch trippigen Rock-Einflüssen schwingt man in den beim ersten Höreindruck mit den üblichen Schemata, die auch viele Prophecy-Bands bereits in den späten Neunziger populär machten. Helm hat mit seinen fragil, immer sehr eigenwillig, fast klassischen Vocals einen enorm hohen Wiedererkennungswert. Die Produktion im Woodshed-Studio von Victor Bullok (Triptykon) könnte auch eine Markus Stock Arbeit sein, haben Sound und Arrangements sowie Klang eine sehr ähnliche Farbe. ‚Ohne Gråb‘ bedient sich zum Beispiel verschiedenster Einflüsse, soll heißen schwarzmetallische Vocals, jazzige Drums, Ambient, trippig nächtliche Loops mit surrealen Gesangseinlagen von Helm zeigen die sehr progressiv offene Struktur der Musiker. Hier spannt man das Korsett überhaupt nicht eng, lässt im Gegenteil der Atmosphäre, den Stimmungen den notwendigen Raum zur Entfaltung, auch wenn irgendwann drückend doomige Riffs wieder auf der Bildfläche ihr Unheil suchen.
Nimm einen verrückten Track wie ‚Schlittenfahrt‘, wie soll man den beschreiben – einfach selbst hören, sehr unterhaltsam und dem Titel fast gerecht werdend. Dies erinnert sympathisch an das freakige Projekt Bald Anders, bei dem man seinerzeit auch wild wuchernd auf dem Fundament des Dark Metal seinen düsteren Humor mit allerhand progressiven Ideen zur Schau stellte und Grenzen einfach nicht existierten. ‚Burning Blue‘ ist so wundervoll düster, spielt mit nächtlichen Bildern, groovt sich entspannt melancholisch in die Gehörgänge mit sphärischen Synths und gnadenlos gutem Gesang von Helm. Einige satte, aber doch hintergründige Riffs ergänzen dann das kosmische Melodien-Plateau, zerstören aber zum Glück in keinster Weise das projizierte Mond-Panorama. Am Ende steigert man sich tatsächlich noch kurzzeitig mit orgelartigen Klängen und Schwarzwurzel-Vocals in einen kleinen feinen Rausch, um dann wieder sanft und schwebend zur mondbeschienenen Ebene zurückzukehren – ein großartiger Song allemal. ‚Näbe‘ ist kraftvoll, düster rockig, treibt mal gehörig nach vorne, dann wieder vertrackt in seiner Rhythmik. Helm singt so gut wie lange nicht mehr und erneut erzeugen kosmische Synths ein wunderschönes Sternen-Firmament vor dem geistigen Auge. Ich bin positiv überrascht über all diese spannenden Ideen anno 2025, die Verschmelzung eben dieser zu einem völlig eigenen, surreal anmutenden Trip. ‚Leaving Metropolis‘ ist kurz und intensiv mit drückend schweren Riffs, luftig sensitiven Strophen mit erneut tollen Synths, die richtig mit Emotionalität aufgeladen sind. Die Dramaturgie des Albums hat es in sich, wird es von Song zu Song mächtiger und intensiver und findet mit dem epischen Rauswurf ‚Antarctic Morning‘ einen würdig spacigen Abgang, der schwer von Isolation und Melancholie getränkt ist. Ein wirklich eigenständiger, tief schürfender progressiver Wurf ist dieses Album „Tatkraft“, mit teils grossartigen Melodien, Arrangements und Überraschungen – dachte ich zuletzt oft, das Genre ist doch tot.
Bewertung: 12/15 Punkten
Line-up:
Benjamin König – Guitars, Bass, Keys
Thomas Helm – Vocals
Matthias Jell – Vocals
Martin Falkenstein – Vocals
Matthias Landes – Drums
Katrin Rohde – Strings
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Die Abbildungen wurden uns freundlicherweise von Hammerheart Records zur Verfügung gestellt.