The Smile – Cutouts
(44:01; Vinyl, CD, Digital; XL Recordings/Beggars Group, 04.10.2024)
Nach zwei hervorragenden Alben mit The Smile und offensichtlich ohne den Druck, die nächste große Radiohead-Platte schaffen zu müssen, schiebt man mal eben einige Monate nach “Wall Of Eyes” dessen Zwilling “Cutouts” hinterher. Déjà Vu? Klar, dies gab es seinerzeit zwischen der “Kid A” und der “Amnesiac” genauso und es funktionierte auch hervorragend. Man hat mit diesem Projekt einfach das Gefühl, Greenwood und Yorke spielten mit Unterstützung von Tom Skinner befreiter, schrieben Radiohead-Alben ohne sie so nennen zu müssen. Wenn man die Musiker dazu aktuell live aufspielen sieht, bestätigt sich diese Lust am experimentellen Schaffen um ein Vielfaches mehr. Man bekam auf der diesjährigen Tour bereits einige Appetithappen vom Album zu hören. Aufgenommen wurde übrigens erneut in den Abbey Road Studios, und es konnte wieder das London Contemporary Orchestra für die großartig arrangierten Streicher engagiert werden.
Für die beiden Vorgänger brauchte es immer einen gehörigen Anlauf. Zu viel Verschrobenes und Verqueres wollte erstmal rund gehört werden. Der Punkt trat zumindest bei mir immer nachhaltig ein. Danach liebte ich die Alben in Endlosschleife. “Cutouts” ist von dieser Hürde irgendwie befreit, da der Anlauf keiner großen Erwartung mehr unterliegt. Man weiß nun mittlerweile, womit man es zu tun bekommt. Nach zwei bis drei Anläufen und mit vielen Referenzen an die Vorgänger trifft das Resteverwertungs-Album mit Songs, wie dem quirlig-jazzigen Groover ‘Eyes & Mouth’, dem flirrend-treibenden ‘No Words’ oder dem kurzen, aber hektischen ‘Zero Sum’, mit seinen prägnanten Bass- und Gitarren-Motiven, so richtig schön ins Schwarze.
So entsteht sofort eine Verzahnung zu älteren Songs wie ‘Under Our Pillows’ vom “Wall of Eyes”-Album. Der einfach nur sphärisch driftende Opener ‘Foreign Spies’ oder die berührende Streicher-Ballade ‘Tiptoe’ machen alleine schon glücklich wie ein verstrahlter Blick ins unglaublichste Sternen-Firmament.
Flirrende Synths und Yorke mit nuschelnder Entrücktheit – da ist einfach nur kosmisch wunderschön. Entspannt und zurückgelehnt musiziert man in ‘Instant Psalm’, dass unruhige, aber ebenfalls melodiöse ‘Colours Fly’ ist wie für die nie endende Nacht geschrieben.
Die Produktion ist erneut ein Ohrenschmaus. Hier werden audiophile Nerds und Fans gleichermaßen bedient. Vertrackt, voller Electronica-Loops und schräger, jazziger Melodik phrasiert Yorke in ‘Don’t Get Me Started’ und in ‘The Slip’.
Die räumlichen Sounds lassen selbst diese immer wieder schrägen Songs ein Hörerlebnis sein, ohne das Überforderung entstünde. Letztlich erlebt man die Musik wieder in der ähnlichen Schnittmenge aus ruhigen, sphärischen Balladen und vertrackten, immer etwas schrägen, mit Hall produzierten Rocknummern. “Cutouts” fließt organisch, strotzt vor Kreativität, ist gefühlt sogar zugänglicher als seine Vorgänger. Hier wird jeder Radiohead-Fan fündig, zufrieden, im besten Falle sogar glücklich. Garantiert!
Bewertung: 13/15 Punkten
Besetzung:
Jonny Greenwood
Thom Yorke
Tom Skinner
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Rezensionen:
“Wall Of Eyes” (2024)
Konzert- & Festivalberichte:
27.06.22, Lëtzebuerg (LU), Neimënster
Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von The Smile und XL Recordings zur Verfügung gestellt.