Dave Kerzner – The Traveler

(42:06, CD, digital, Eigenveröffentlichung/Just for Kicks, 30.9.2022)
Angesichts der beeindruckenden Liste an beteiligten Musikern ist hier ja wohl ein Monster-Progalbum zu erwarten. Seht selbst:

Dave Kerzner – lead vocals / keyboards / acoustic guitars / drum programming

Fernando Perdomo – guitars / bass (1, 4, 6)
Francis Dunnery – guitar (6)
Randy McStine – guitar (5, 7, 9)
Nick D’Virgilio – drums (3, 4, 5, 6, 7, 9)
Marco Minnemann – drums (1, 2)
Alex Cromarty – drums (8)
Stuart Fletcher – bass (8)
Matt Dorsey – bass (2, 5, 7, 9)
Billy Sherwood – bass (5, 7, 9)
Jon Davison – vocals (8)
Durga McBroom – backing vocals (3, 4, 6, 7, 8)
Alex Yatte Chod – backing vocals (1, 3)
Joe Deninzon – violins / violas (1, 2, 5, 9)
Ruti Celli – cello (1, 2, 5, 9)

Spock’s Beard, It Bites, Pink Floyd, Steven Wilson, Yes Light, die alten Kollegen von Sound of Contact usw. – wenn das mal nicht für Qualität spricht. Entsprechend hoch sind also die Erwartungen.
Doch der erste Durchlauf lässt den Prog-Fan eher ratlos zurück, zu sehr rauscht die Musik zunächst an einem vorbei und man fragt sich, ob man die richtige CD eingelegt hat, denn sonderlich rausgehört hat man den Einfluss der beteiligten Mitmusiker nicht. Schlimmer noch, außer ein paar netten Melodien bleibt erst einmal nichts hängen. Aus reiner Progger-Sicht ist eine zweistellige Punktzahl eher in weiter Ferne.

Doch der Schreiberling bleibt dran und gibt dem Album noch mehrere Durchgänge. Wichtig dabei ist, dass dies unter einem anderen Blickwinkel geschieht, nämlich in der Erwartung, eben kein hochkomplexes Progressive Rock Album zu erwarten. Die großen Namen bleiben mal außen vor und siehe da – plötzlich gefällt es. Man nimmt zur Kenntnis, dass die Gesangspassagen bei Weitem die Oberhand behalten, instrumentale Ausflüge bleiben die Ausnahme. Die progressiven Elemente scheinen eher nur in kurzen Passagen durch, doch mit der Zeit wächst dies. Nach dem ersten Hören überlegt man noch, was denn an dem Album falsch ist, denn der Gesang gefällt doch eigentlich ganz gut. Falsch war schlichtweg die Erwartungshaltung.

Also Neustart mit der Ausgangslage, dass man einen Melodic Rock / Pop Rock Mix mit seltenen Prog Einlagen geboten bekommt. Der Gesang des Protagonisten weiß durchaus zu gefallen, er klingt wie eine Mischung aus RPWL, Ray Wilson und Pink Floyd (speziell bei den Background Gesängen). Die neun Songs sind allesamt recht kurz gehalten, nur zweimal geht es gerade an die 6-Minuten Marke. Somit kommt entsprechend auch eine eher kurze Gesamtlaufzeit zustande.

Der Opener ‘Another Lifetime’ ist ein Musterbeispiel für den gefahrenen Ansatz auf diesem Album. Ein Song, der zunächst als Melodic Rock durchgeht, feine Gitarrenpassage von Perdomo und das Geigenspiel von Deninzon zeigen dann doch, dass hier mehr als nur vordergründiger Radio-Rock gespielt wird. Und so geht es fließend weiter. ‘A Time in Your Mind’ klingt wie ein Song eines Tony Banks Soloalbums. ‘For Granted’ ist eine schöne Ballade mit Pink Floyd Reminiszenzen, und auch ‘Feels Like Home’ erweist sich als wunderbar ruhige Nummer mit Ohrwurmqualität, wobei dort sogar mal kurz eine Post-rockige Gitarre zu hören ist. Und am Ende gibt es dann doch eine Nummer, die als Prog-Song durchgeht und stellenweise an ‘Los Endos’ erinnert – Drummer hier übrigens Nick D’Virgilio.

Fazit: Bitte kein hochklassiges Prog-Werk erwarten, aber bei Interesse an luftigen, melodischen Nummern, eingespielt von ausgesprochen kompetenten Musikern, darf hier gerne aufgehorcht werden.
Nach dem ersten Eindruck hätte der Rezensent es niemals erwartet, aber unter der beschriebenen Einschränkung und nicht zu sehr aus Proggie-Sicht gesehen, sind es schließlich dann doch verdiente zehn Punkte.
Für den Fan bleibt noch zu erwähnen, dass es auch eine Deluxe Version mit einer Bonus CD gibt, die Outtakes und Alternativ-Versionen beinhaltet.
Bewertung: 10/15 Punkten

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Abbildungen: Dave Kerzner