Joe Satriani – The Elephants Of Mars

Joe Satriani - The Elephants Of Mars (earMusic/Edel, 08.04.22)(66:44, CD/LP/Digital, earMusic/Edel, 2022)
Knapp dreißig Jahre lang war Joe Satriani fest beim Majorlabel Sony Music im Sattel – das ist nicht nur für einen “Nischenkünstler” eine verdammt lange Zeit. 2022 ist “Satch” nun auch als Solokünstler bei earMusic gelandet – der Heimat für so ziemlich alle Classic-Rock-Helden, die auch in der zweiten Karrierehälfte noch ein wenig ambitioniertere Pläne als endlose Nostalgietouren haben.

Wer allerdings nach dem Labelwechsel nun den großen kreativen Befreiungsschlag sucht, der wird auf “Elephants From Mars” nicht fündig werden: Satriani bleibt sich – und seinem Publikum – stilistisch treu. Das letzte große Experiment war das Elektronikalbum “Engines Of Creation” (2000), und das wurde ihm von Kritik und Publikum bekanntlich ziemlich krummgenommen (nach Meinung dieses Schreiberlings übrigens vollkommen fälschlicherweise). Seither variiert Joe das Rezept nur geringfügig, und nach den relativ geradlinigen Vorgängern gibt’s auf “The Elephants Of Mars” wieder ein wenig mehr groovigen Stoff mit Jeff-Beck-Einschlag im Stile der “Professor Satchafunkilus”- oder “Black Swans and Wormhole Wizards”-Scheiben. Speziell in der Mitte des Albums, wo sich klar fusion-lastige Songs wie ‘Tension And Release’, ‘Sailing The Seas Of Ganymed’ und ‘E 104th St NYC 1973’ tummeln, fühlt man sich unweigerlich an “The Guv’nor”s” Arbeiten mit Jan Hammer erinnert – auch aufgrund der sehr jazz-affinen Keyboardsoli von Rai Thistlethwayte. Ein Songtitel wie ‘Pumpin’ ‘ legt nahe, dass der Maestro diesen Einfluss auch gar nicht leugnen will.

Ein reines Fusionalbum ist “The Elephants Of Mars” aber, wie oben erwähnt, doch nicht geworden – es herrscht die “übliche Mixtur”, und für die, die mit Jazzigem nicht können, gibt’s natürlich auch ausreichend Alternativen. Zum Beispiel elektronisch Angehauchtes (der Titelsong, ‘Through A Mother’s Day Darkly), bluesigen Rock (‘Blue Foot Groovy’), Poppiges (’22 Memory Lane’, ‘Faceless’) und mit ‘Desolation’ ein atmosphärisches Stück ganz ohne Drums, bei denen Joe überraschend stark nach Gary Moore klingt. Und wie ebenfalls “üblich” sind alle Songs auch für Nichtmusiker genießbar, ja, eingängig ausgefallen. Wo ein Steve Vai sich gerne in abgefahrene spirituelle und atonale Welten begibt oder John Petrucci die Melodie vor lauter Shredding gerne einfach mal komplett vergisst, bleibt “Satch” immer nachvollziehbar (was übrigens nicht “langweilig” oder gar “nachspielbar” bedeuten soll) und strukturiert. Zugegeben, manchmal wünscht man sich der Dynamik wegen noch einmal so einen Ausbruch wie seinerzeit auf beispielsweise ‘Ice Nine’, aber das, soweit kann man sich 35 Jahre später getrost aus dem Fenster lehnen, ist vermutlich einfach nichts mehr, was den Musiker heute noch interessiert. Auch findet sich nicht unbedingt mehr ein richtiger, herausragender “Hit” unter den Songs – allerdings auch kein erkennbarer Ausfall. Der quecksilbrig glänzende Gitarrenton und die wunderbar flüssigen Leads sind indes immer noch genauso faszinierend wie 1987, als “Surfing With The Alien” den Standard für Gitarren-Instrumentalalben neu definierte.

Abgesehen vom sehr zu lobenden Neuzugang Rai Thistlethwayte an den Keybords umgibt sich Satriani erneut mit langjährigen Mitarbeitern. Am Schlagzeug sorgt erneut Kenny Aronoff fürs erhöhte Energielevel, und auch Bassist Bryan Beller schwebt schon seit Jahren im Orbit des Gitarristen. Trotz Aufnahmen unter Lockdown-Bedingungen greift also alles wunderbar ineinander, und fett produziert ist die Scheibe natürlich auch. Zugegeben, mit 67 Minuten Spielzeit ist das Album vielleicht ein wenig lang ausgefallen – da es allerdings auch keine qualitativen Durchhänger gibt, geht das natürlich auch in Ordnung. Auch ohne wirklich Neuland zu betreten, kann Satriani auch auf seinem Start in die Post-Sony-Ära in gewohnter Qualität liefern.
Bewertung: 11/15 Punkten (SG 11, KR 10)

Surftipps zu Joe Satriani:
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Wikipedia

Konzertbericht “G3” (2016)
Rezension “Shockwave Supernova” (2015)

Abbildung: earMusic / Edel