Amarok – Hero

(41:53, CD, Digital, Oskar Music/Just For Kicks, 2021)
Die Auswahl eines Bandnamens sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. The The? Ungooglebar. Pink Cream 69? Ebenso, allerdings aus anderen Gründen. Die polnischen Artrocker haben diese Probleme nicht – werden aber aufgrund ihres Namens oft entweder mit den spanischen Kollegen verwechselt oder auch mal von Reviewern in die Mike-Oldfield-Ecke gesteckt – obwohl sie stilistisch weder mit den Einen noch dem Anderen viele Berührungspunkte haben. Dafür gibt’s atmosphärischen Artrock mit elektronischer Kante und World-Music-Flair, der Steven Wilson genauso nahesteht wie Gazpacho, (alten) Coldplay, Peter Gabriel, Pink Floyd (in der Gilmour-Version) und John Mitchell.

Das Kern-Duo Michał und Marta Wojtas zeichnet auf “Hero” mit Ausnahme der Drum- und Bassparts für die komplette Instrumentierung verantwortlich. Michal fungiert als Sänger, Gitarrist und Keyboarder, Marta sorgt mit diversen Percussioninstrumenten für den World-Music-Anteil und erfreulicherweise auch für einen bei aller Melancholie immer präsenten Groove, wie man ihn auch von späteren Peter Gabriel-Alben kennt – ganz ohne die im New Artrock oft vorherrschende bleierne Schwere. Die Gitarrenarbeit lehnt sich hingegen eher an Wilson und Gilmour, manchmal sogar mit Blues-beeinflussten Leads an Mark Knopfler an. Die sieben Songs des Albums kommen somit auch komplett ohne irgendwelche Angeber-Mätzchen oder unnötige Längen aus. Der Song steht im Vordergrund, und wenn längere Instrumentalpassagen stattfinden (‘Hail! Hail! AI’), wird’s eher trancig-psychedelisch als frickelig. Wo auf den Vorgängern bisweilen die Soundscapes und die Atmosphäre das eigentliche “traditionelle” Songwriting überschatteteten, haben Michal und Marta dieses Mal auch diesbezüglich alles richtig gemacht. Alle Effekte und Soundspielereien ordnen sich dem Stück unter, das Ganze zählt mehr als die Einzelteile.

Auch wenn die ersten vier Songs beileibe keine Luschen darstellen: die Highlights des Albums gibt’s vor allem in der zweiten Hälfte des Albums. Das Instrumental ‘The Dark Parade’ ist ein wunderbares, soundtrackartiges Stück Synth-Rock mit Anleihen an “Obscured By Clouds”, und der direkt darauf folgende Titelsong spielt schließlich die erwähnten Knopfler-Gitarren und einen super-eingängigen Refrain als Trümpfe aus. Mit dem minimalistischen ‘What You Sow’ – Synthie-Teppich, Piano, zerbrechliche Vocals und weinende Gitarrenleads – bringen Amarok das Spiel endgültig nach Hause.

Allen Freunden des songorientierten New Artrocks sei das Album somit ganz entschieden empfohlen. Extrapunkt: auch produktionstechnisch ist “Hero” ganz klar ein Gewinner – den Selbstbastler-Geist hört man dem Endprodukt definitiv nicht mehr an. Kein Wunder, dass sich die polnischen Underground-Spezis von Oskar Music (auch die Heimat von Galahad, Mystery und Siena Root) der Band (?) angenommen haben. “Hero” hat das Potenzial, Amarok ein gutes Stück nach vorne zu bringen. Feine Scheibe, das!
Bewertung: 12/15 Punkte (SG 12, JM 12, KR 12)

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