Motörhead – No Sleep Till Hammersmith 40th Anniversary Deluxe Edition

(4h 48m 15s, 4-CD, 2-CD, 3-LP, BMG/Sanctuary, 1981/2021)
Robert Fripp made me do it.

Schließlich hat er in einem Tagebuch-Eintrag bereits 1999 über den Genuss der Kunstfilme “8mm” und “Payback” philosophiert – mit der klaren Ansage:

“Art is subjective, n’est-ce pas?”

Und nachdem sich mit Peter Hammill bereits eine weitere Prog-Heiligkeit fragte, “whatever would Robert have said?”, gibt’s jetzt auf einer Prog-Seite eine schamlose Liebeserklärung an ein schamloses Anti-Prog-Album, das zugleich aber eine der unschlagbarsten, wichtigsten, eigenständigsten und unverzichtbarsten Veröffentlichungen des kompletten Rockzirkus ist und seit dieser Woche als schicke Deluxe-Veröffentlichung (also, irgendwie doch Prog – oder zumindest “high-concept rock art”) erhältlich ist.

“No Sleep Till Hammersmith” besiegelte 1981 die Legende von Motörhead – und stellte gleichzeitig die Weichen für den kompletten Thrash- und Extrem-Metal-Trend, der bis heute anhält. Vierzig Minuten, elf Songs, mehr brauchte es nicht, um das Album zur unumstößlich heiligen Insignie zu machen. Nach dem kommerziellen Erfolg der Vorgängeralben, speziell dem direkt vorangegangenen “Ace Of Spades”, befanden sich Lemmy, Fast Eddie Clarke und Philthy Animal Taylor auf ihrem Zenit – dem zugegebenermaßen mit dem schwachen nächsten Album “Iron Fist” und der katastrophalen Tour dazu auch gleich der freie Fall folgte. Auf “No Sleep Till Hammersmith” hört man von all dem hingegen noch rein gar nichts. Tight wie ein Entenarsch, heavy as a really heavy thing und völlig im chemisch erzeugten Speed-Wahn gibt’s hier die definitiven Liveversionen von Rock- und Metal-Klassikern wie ‘Ace Of Spades’, ‘Overkill’, ‘Capricorn’, ‘Metropolis’, ‘Bomber’, ‘(We Are) The Road Crew’ und natürlich Hawkwinds ‘Motörhead’. Das ist “No Sleep Till Hammersmith”.

Die vorliegende Deluxe-Fassung schießt aber den Vogel endgültig ab. Für rund fünfzig Öhren (Ozzy, can you hear me?) gibt’s neben den übliche Devotionalien wie Poster, Pin, Plektrum, Packstage-Pass und Puch mit Fotos (PURSCHE! Die schnappatmende Schlussredaktion) auch noch vier CDs. Die erste davon ist das remasterte Originalalbum mit den Single-B-Seiten ‘Over The Top’ und ‘Train Kept-A-Rolling’ und drei Soundcheck-Songs, darunter ein veritabel knallendes ‘Limb From Limb’. Die restlichen drei Silberstücke bieten dazu noch die kompletten drei Shows, aus denen das Album zusammengestellt wurde, in voller Länge! Zwar stammen die Aufnahmen noch von Produzent Vic Mailes frühen Rough Mixes, ballern also nicht ganz so kräftig wie auf dem fertigen Meisterwerk, der Sound ist aber definitiv auch für Nicht-Die-Hards goutierbar. Speziell die zweite CD aus Newcastle macht jede Menge wundervollen Lärm. Klar, im Prinzip gibt’s dreimal das gleiche Set, aber es ist schlicht faszinierend, die bis ins kleinste Detail verinnerlichten Albumfassungen nun im Kontext der Show zu hören. Und natürlich heißt das auch, dass noch jede Menge Klassiker, die auf “No Sleep Till Hammersmith” nicht vertreten waren, zu ihrem Recht kommen: ‘Shoot You In The Back’ (yeah!), ‘Leaving Here’, ‘Too Late, Too Late’, ‘The Chase Is Better Than The Catch’… 1981 gab’s keine Durchhänger bei Motörhead-Shows, weil Lemmy einfach noch keine geschrieben hatte.

Legendäres Album, liebevolle Umsetzung, adäquater Preis – so sollten Deluxe-Editionen aussehen. Ob Progger oder nicht, ein Motörhead-Album sollte man als Musikfan ehedem im Regal stehen haben – warum also nicht gleich dieses? Aber, lassen wir doch einfach dem guten Robert Fripp hier auch das letzte Wort zum Sonntag.

Bewertung: 15/15 Punkte (was sonst?)

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