Estompen – Trend des Universums (EP)

Estompen - Trend des Universums (unsigned, 26.4.21)(31:09, CD-R, Eigenveröffentlichung, 2021)
Und gleich eingangs wieder ´was gelernt, desdawären gleich drei schöne Worte: a) Estompe (fr.: b) Papierwischer), “umgangssprachlich auch c) Schummelnudel genannt, ist ein aus zusammengerolltem Leder oder Löschpapier bestehendes, stiftartiges, unten zugespitztes Zeichengerät” (Wikipedia). Dazu noch einen hierorts bislang völlig unbekanten Musicus (Matthias Schrön, aka Estompen) kennengelernt. Und einen neuen Zustand bei der Musik-Rezeption: estompismatisiert – das liegt so in etwa zwischen fasziniert und bis hart an die Toleranzgrenze schmerzerfüllt. An das geheimnisvolle Opus herangetraut hat sich der Rezensent in erster Linie aufgrund des wundervollen, mit Lebens-Ansichten des Katers Murr ein lebenslanges Lieblingsbuch zitierendes Artworks.

Das inhaltliche Konzept des Albums:

Doch genug von solcher Gefühlsduselei – hier geht es schließlich auch um Inhalte und Konzepte, wie der Künstler uns wissen lässt (binäre Digitaltechnik ist übrigens doppelt gemoppelt):


»Binäre Digitaltechnik steht für diskrete Zustände und dadurch für perfekt reproduzierbare Ergebnisse. Von ihr werden im Allgemeinen keine Eigenheiten, kein Charakter erwartet oder zugestanden. Diese Eigenheiten, dieser Charakter sind das Thema von „Trend des Universums“.«

Trend des Universums - inhaltliches Konzept
Inhaltliches Konzept des Albums

Matthias Schrön dazu:

»das Diagramm für das inhaltliche Konzept des Albums wäre in Textform: Katze zu Katze, die Lesen und Schreiben kann (eben Kater Murr), verhält sich wie: menschlicher Musiker zu digitalem Gerät/Algorithmus. Daraus folgt: Trend des Universums.«

Das musikalische Konzept des Albums:

  1. Ein digitales Gerät bzw. Algorithmus mit seinen Eigenheiten, bearbeitet und reagiert auf handgemachte Rock-Musik.
  2. Das, was das digitale Gerät/Algorithmus spielt, wird respektiert, genauso wie das, was der Mensch spielt.
  3. Die unterschiedlichen Interpretationen des digitalen Geräts/Algorithmus sind auf die Ausgangskanäle bzw. Stereopanorama verteilt. Alle Stücke sind prinzipiell mehrkanalfähig.

Noch Fragen Kienzle?
Na, wenn noch eine/r mitlesen sollte, fragt sie/er sich vielleicht, was für mensch-getriebene Instrumente dann hier am Start waren. Und welches “digitale Gerät” da wie reagiert hat. Und schlüßlich, wie so eine musikalische KI-Experimentalanordnung denn klingen mag.

Das zeigt uns am besten ein Beispiel: ‘Estompe 107A’ ist einer der Beiträge auf der EP, der den Autor spontan allein leider schon aufgrund der unangenehm kalten bis kreischigen Klangfarben eher abstößt. Gehör und Gehirn produzieren ob dieses böse flirrenden Hornissenschwarms aus Noten sozusagen relativ schnell warnende Bäuerchen.

Experimentell musizierend zugange sind hier jedenfalls:

Mensch: 7 × E-Gitarren + Schlagzeug
Digitales Gerät: Multieffektgerät Boss GT-10, Algorithmen: “Auto-Riff” und/oder “PitchShifter”

Und zwar wie folgt:

»Im Wesentlichen spielt der Mensch – gleichmäßigst möglich – Tonwiederholungen von sehr wenigen Tönen (am Anfang über längere Zeit nur ein d), das GT-10 erzeugt nach eigener Laune die Oktav-Transposition und/oder die Verzierungen.«

Ab Minute 4 wird es erträglicher, da der Mensch auf der E-Gitarre in wohltuend tieferen Lagen zu solieren beginnt. I respect that. Ausklingen tut die Nummer allerdings wieder kreischend. Wenn das Universum wirklich langfristig diesem Trend folgen sollte, wird es noch härter, als wir alle bislang schon dachten…

Doch das alles wäre Eure und unsere Zeit nicht wert, wenn es hier nicht eben auch Stücke wie ‘107 B’ gäbe: obwohl eng verwandt mit der Vorgängernummer fehlen hier gnädigerweise die kratzenden Höhen. Und das etwas tiefer veranstaltete Hummelgebrummel läßt teilweise sogar ein Motiv aus dem Mike Oldfield-Imperium assoziieren. Und prompt überwiegt die Faszination dieser Mensch-Maschine-Interaktion.

‘103’ klingt allerdings leider wie das Todespiepsröcheln von R2D2, der von Jimi Hendrix auf der Bühne mit Feuerzeugbenzin übergossen und flambiert wird. Und es tut abermals im Kopf weh. Sechs Minuten lang. Sind die aber durchgestanden, tröstet mit ‘113’ ein Riffmonster zwischen AvantKrach und JazzProg, so eine Art ‘Free Form Guitar‘ (by the magnificent Terry Kath), das vorsichtshalber nochmal durch den Zerhacker geschickt wurde.

‘110’ hingegen … ach, wenn Ihr denn tatsächlich immer noch da seid, dann bildet Euch doch am besten eine eigene Meinung!
Bewertung: 1-13/15 Punkten

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Abbildungen: Estompen / Matthias Schrön