Sigur Rós – Odin’s Raven Magic

(65:31, CD, Vinyl, Digital, Krunk Records / Warner Music Group, 2002 / 2020)
Auf ein neues Studioalbum von Sigur Rós muss man leider weiterhin warten. Hinter “Odin’s Raven Magic” verbirgt sich nämlich eine orchestrale Zusammenarbeit von Sigur Rós, Hilmar Örn Hilmarsson (mit dem die Band bereits auf dem Soundtrack “Angels Of The Universe” kooperierte), Steindór Andersen und Maria Huld Markan Sigfúsdóttir. Die Aufnahmen entstanden bereits im Jahr 2002 und waren ursprünglich für das Reykjavík Arts Festival geplant, wobei im Barbican Centre in London die Uraufführung stattfand. Dem Werk zu Grunde liegt das gleichnamige isländische Gedicht aus dem 14. oder 15. Jahrhundert, das von einem Bankett der Götter im mythologischen Valhalla handelt.

Deswegen sollte man hier kein typisches Sigur-Rós-Werk erwarten, vielmehr handelt es sich um stilistische Verbindung aus zeitgenössischer Klassik, Ambient und cineastischen Momenten, selbst wenn einige Passagen deutliche Band Trademarks aufweisen. Ein Großteil der Musik ist jedoch von einer zurückhaltenden, mystischen Atmosphäre bestimmt. Breite orchestrale Klangflächen lassen einen in Gedanken auf eine Reise durch die karge, archaische, gleichzeitig faszinierende isländische Natur aufbrechen. Die dunkle Musik fließt mehr, als dass sie von klaren Strukturen durchzogen ist, unterbrochen von einigen kurzen, dramatischen Dynamiksteigerungen.

Dominiert von einer meist düsteren, dennoch irgendwie heimeligen Atmosphäre wandelt man hier klanglich durch die Weite des Landes der Elfen und Trolle. Darüber erheben sich als Kontrast ätherische Stimmen (u.a. der Falsettgesang von Jón Þór Birgisson a.k.a. Jónsi) bzw. Chöre, wie noch als weitere besondere Note mehrfach hypnotische, perkussive Marimba-Akkorde (auf einer Spezialanfertigung aus Stein) sanfte Rhythmusmuster entstehen lassen.

Erst beim dritten Stück ‘Dvergmál’ erkennt man dann auch deutlicher Sigur Rós, die hier erkennbar einsteigen und eine heitere Note beisteuern. Doch erst ganz zum Schluss der knapp 70 Minuten erklingt beim epischen, über elfminütigen ‘Dagrenning’ der typische, langsam anschwellenden Bombast, mit dem man die Band eigentlich in Verbindung bringt.

Ob dabei diese Veröffentlichung im direkten Zusammenhang mit denen in der Heimat laufenden Prozesse wegen Steuerhinterziehung und der Beschaffung von benötigtem Kapitel stehen, bleibt letztendlich offen. Deswegen nur eine Betrachtung aus musikalischer Sicht: ein wunderschönes Werk aus einer anderen Welt, das viel zu lange in den Archiven schlummerte.
Bewertung: 12/15 Punkten (KR 12, KS 12)

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Abbildungen: Sigur Rós / Krunk Records