Giorgi Mikadze – Georgian Micro Jamz

(56:37, Vinyl/CD/Digital, RareNoiseRecords, 2020)
Georgische Musik ist wahrscheinlich vielen Lesenden hier eher fremd. Dabei handelt es sich nicht nur um eine der ältesten Formen polyphoner Musik, sondern auch um ein Kulturgut, das es schon ins Weltall geschafft hat. Als die Voyager Golden Record losgeschickt wurde, um außerirdisches Leben zu begrüßen, hat es auch das georgische Volkslied ‘Chakrulo‘ auf den goldenen Tonträger geschafft.

Georgien, die Heimat mehrstimmiger Vokalmusik in christlich-orthodoxen Gottesdiensten, das Land mit einer über 8,000 Jahre alten Weinbautradition sowie eines unikaten Alphabets, ist auch der Geburtsort des Musikers Georgi Mikadze. Der in Tbilissi geborene Künstler genoss in seiner Heimat zunächst eine klassische Musikausbildung, bis es ihn ans Berklee College of Music in Boston zog. Hier lernte Mikadze den Gitarristen David Fiuczynski kennen und befasste sich viel mit traditioneller sowie moderner Musik aus aller Welt. Aus dieser Bekanntschaft ergab sich die Zusammenarbeit für das Projekt “Georgian Micro Jamz” – eine Fusion aus georgischer Polyphonmusik, Jazz, Funk und unbeschreiblichen Einflüssen, denen höchstens das unschöne Attribut “Weltmusik” passt.

Giorgi Mikadze hat sich beim Songwriting an
mikrotonale Keyboards und Klaviere gesetzt, um die Skalen der georgischen Musik passgenau ins Fusion Konzept einbringen zu können. Für den mal rockig, mal funky und gerne auch jazzigen Klang sorgen die Mitstreiter Fuze” Fiucyzynski (fretless guitar), Panagiotis Andreou (fretless bass) und Sean Wright (drums). Neben einigen Chorälen in georgischer Sprache tritt als Special Guest auch die Ethnomusikologin Nana Valishvili ans Mikrofon und verwandelt den Song ‘Moaning’ in ein unfassbar starkes und tiefes Gedenken an die Toten des georgisch-russischen Konlfikts im Jahr 2008.

Inhaltlich ist das Album “Georgian Micro Jamz” klassisch aufgebaut. Mit Ausnahme des letzten Liedes ‘Tseruli’ wird jede einzelne Nummer durch eine Interlude eingeleitet. Ähnlich wie Mussorgski nimmt Mikadze sein Publikum bei der Hand und führt es durch ein abwechslungsreiches Programm. Die Bilder, die der Künstler dabei erzeugt. reichen vom Adschariengebirge bis zum schwarzen Meer und vom Kirchengesang bis zum Groove Westafrikas. “Georgian Micro Jamz” ist nicht nur eine gelungene Vermengung einander fremder musikalischer Traditionen, das Album ist auch eine intonierte Liebeserklärung an ein Land, das vor kultureller Vielfältigkeit nur so strotzt.

Für die Unterstützung in den georgischen Klängen sorgt das Basiani Ensemble. Die georgischen Folkmusiker beenden die “Georgian Micro Jamz” mit ihrem Gesang in den Stücken ‘Lazhghvash’ und ‘Tseruli’ und besingen die Landschaften ihrer Heimat. Als weitere Verbindung zu seinem Geburtsland hat Mikadze eine Aufnahme des Sängers Ilia Zakaidze in die einführende Nummer ‘Metivuri’ eingespielt.

Was Giorgi Mikadze mit seinen “Georgian Micro Jamz” geschaffen hat, ist ein weiterer Geniestreich, mit dem er selbst sein letztes geniales Projekt “VOISA” noch in den Schatten stellt. Es ist ihm schwungvoll und elegant gelungen, die unbeschreibliche Vielfalt dieses Albums so zu gestalten, dass sich sofort der rote Faden erkennen lässt. Georgische Folklore, Mikrotonalität und Polyphonie gehen problemlos Hand in Hand mit einer lässigen Fusion aus Jazz, Funk und Swing und tanzen gemeinsam über geographische sowie musikalische Grenzen hinweg. Mikadzes neues Werk ist wahrlich kein Prog. Vielmehr handelt es sich bei den “Georgian Micro Jamz” um ein Werk, das den Begriff “Weltmusik” wieder positiv besetzen kann, indem es aus georgischer Perspektive traditionelle und kontemporäre Musik mit Anspruch zu einer nie dagewesenen Fusion zusammenfasst.
Beurteilung: 13/15 Punkten

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