Bröselmaschine – Elegy

(47:50, LP, Made In Germany, 2019)
Hatten sie Anfang des Jahres noch den 50. Geburtstag mit einem gelungenen Querschnitt durch die eigene Diskographie gefeiert, sind Bröselmaschine nun schon wieder mit neuem Material zurück. “Elegy” ist, entgegen des Titels, weniger eine schwermütige Dichtung, als viel mehr ein ausgelassenes, zuweilen fröhliches Album voll eingängiger Melodien und locker verdaulicher Hooks. Fing die Band um Peter Bursch während der 1970er als einfluss- und ideenreiche Krautrock-Combo an, ist das Kraut nun weitgehend dem adult orientierten Rock (AOR) gewichen. Ältere Semester scheinen das in den bisherigen Rezensionen zum Album bedingungslos zu begrüßen, erinnert der Sound doch nicht selten an eine zurückhaltendere Version unterschätzter Nostalgietruppen wie Tomorrow’s Gift oder Frumpy und wird auf diesem Album durch den professionellen Gesang von Stella Tonon ergänzt, die zuvor bereits mit Escape-With-Romeo-Gründer Thomas Elbern oder dem Stuttgarter Elektronik-Produzenten Jens Buchert zusammenarbeitete.

Technisch einwandfrei mit kraftvollem Timbre, ist sonst sicher streitbar, inwiefern sie den Bröselmaschinen-Klang tatsächlich bereichert – schließlich braucht nicht jedes Rockalbum unbedingt Klargesang. Hochkarätig bleibt das Line-up aber auch neben der neuen Vokalistin auf dem sechsten Studioalbum der Duisburger Ex-Kommune zweifellos: Manni von Bohr ist nach wie vor präzise am Schlagwerk zugange, während Keyboarder Tom Plötzer, Bassist Detlef Wiederhöft und die beiden Gitarristen Michael Dommers sowie Bursch selbst instrumentelle Feinkost zwischen Blues, psychedelischem sowie klassischem Rock servieren. Auch Helge Schneider ist nach vielen Jahren erneut dabei und pustet auf dem meditativen ‘Sofa Rock’ gewohnt virtuos ins Saxofon – Spoiler: das Highlight dieser Platte.

Um die zackigen Melodiewechsel des Intros ‘Bliss’ genießen zu können, ist nämlich eine gehörige Affinität zu irischer Folkmusik und deren Scheunenpartymanier sicher nicht verkehrt. Der Titeltrack hingegen klingt beinahe wie stadiontauglicher Country Rock und war in seiner ursprünglichen Version vom 1978 veröffentlichten Album “I Feel Fine” vielleicht weniger opulent arrangiert, dafür aber einfacher, wärmer, authentischer. Das Cover der Bluesperle ‘I’d Rather Go Blind’, 1967 erstmals von Etta James aufgenommen, schlägt in eine ähnliche Kerbe: große Soli, großer Gesang, große Produktionswerte, alles aalglatt, frei von jeglichen Ecken und Kanten – und Charakter. Ketzerei? Vielleicht.

‘Oriental Mind’ markiert im Anschluss eine wohltuende Abkehr von der auf diesem Album überdominanten westlichen Rocktradition, zeigt Burschs fabelhafte Fähigkeiten an der Sitar und lässt den gelayerten Gesang von Stella Tonon endlich in geschmackvollen Effekten aufblühen. Ein Lichtblick? Nur bedingt. Ist ‘Sole Ruler’ behäbiger Blues nach Zahlen ohne echten Wiedererkennungswert, gilt das für ‘Black Is Your Color’ im Rock-Kontext ebenso. Ja, alles schön gespielt; ja, sicher kann das nicht jeder; ja, die Generation Ü-50 findet das scheinbar “einfach nur toll” und “fetzig”, sieht man sich die Kritiken zu “Elegy” an – gehört hat man diese Riffs, diese Arrangements aber schon in fünfhundertvierundzwanzig schlecht belüfteten Hard-Rock-Cafes von Hamburg bis Houston. Es mufft. ‘Pajaro’ ist einmal nett anzuhören, bedient dann aber doch die meisten gängigen Blumenkinder-Klischees, wenn Flöte und Sitar auf Prärie-Geigen und spanische Intonation im Gutenachtmodus treffen. Wer wenig Musik hört, wenig Musik kennt, wird an diesen bekannten Rezepten vielleicht Gefallen finden – alle anderen könnten sich langweilen. Als Bonustrack gibt es den ‘Meidericher Shuffle’ oben drauf, eine Live-Aufnahme aus dem Grammatikoff in Duisburg, wo Bursch und Band am 29. September dieses Jahres eine gut besuchte und frenetisch beklatschte Geburtstagssause anlässlich ihres 50-jährigen Jubiläums gaben. Zurecht als eine der prägenden Formationen der Krautrock-Ära gefeiert, biegt die Bröselmaschine mit diesem Album in Richtung musikalischer AOR-Beliebigkeit nebst zart psychedelischem Anstrich ab. Und das obwohl sie doch so viel mehr kann. Klassische Rockmusik für klassische Rockfans – nicht weniger, aber vor allem nicht mehr.
Bewertung: 8/15 Punkten

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