Soen, Ghost Iris, Wheel, 21.03.19, Köln, Helios 37

Asleep at the Wheel?

Verträglichkeitshinweis vorab – mit hoher Wahrscheinlichkeit können die allesamt großartigen drei Bands selbst wenig für die im Folgenden laut werdenden Kritikpunkte. Rein musikalisch hätte es daher auch ein wirklich traumhafter Konzertabend werden können, statt der unnötigerweise erlebten kaum erträglichen K(rachatt)acke.

Wheel In The Sky

Zugegeben, die Ausgangsvoraussetzungen – ein ganztägig durchgeführter Umzug mit der gefühlten Bewegung von Tonnagen – waren vielleicht nicht zu 100 Prozent ideal. Trotzdem war die Betreuer-Laune einfach bestig, als der geplagte Rücken gegen eine Wand des kurz nach Einlassbeginn schon gut gefüllten Helios 37 gelehnt werden und die Augen kurz zugekniffen werden konnten. Für den Schlag 20 Uhr beginnenden Besuch aus Helsinki gingen sie aber natürlich schlagartig wieder auf. Und nur streckenweise wieder zu, was nichts mit dem tollen Auftritt der Finnen zu tun hatte. Sondern mit dem an diesem Abend fast ausschließlich stroboskop-artig direkt ins Publikum gerichteten Licht. Das ist mal als kurzer Effekt ganz lustig, auf Spielfilmlänge aber strengt es die Augen doch etwas an. Wie auch immer – draußen spielte das Wetter Frühling, im Helios schälten sich plötzlich vier Kapuzenmännlein aus der zu diesem Zeitpunkt fast vollständigen Dunkelheit.

Sänger/Gitarrist James Lascelles beendet nach der eröffnenden Nummer ‘Vultures’ (Heavy Metal für rhythmisch Fortgeschrittene) als erster die Vermummung und nimmt direkten Kontakt mit dem Publikum auf, das Wheel denn auch – für eine “Vorvorgruppe” – ausgesprochen herzlich begrüßt. Quatsch Vorgruppe, nicht nur der Betreuer ist zum großen Teil für sie angerückt, es befindet sich auch bildhübsches junges Weibsvolk in der Menge, das jede Zeile vom folgenden ‘Tyrant’ (A Perfect Circles ‘The River’ meets Nickelback) mitsingen kann. Das Stück stammt wie alle an diesem Abend vom vorzüglichen aktuellen Album “Moving Backwards” und endet etwas überraschend mit einem Bass-Solo von Tieftöner Mikko Määttä. Soweit, so gut. Ungut allerdings ist bereits jetzt das obwaltende Lautstärke-Niveau. Ohne tiefstmöglich applizierten Gehörschutz geht gar nichts, kreischen tut es dann allerdings immer noch. Positiv: Wahlfinne James bemüht sich, die leider bei diesem Sound komplett unverständlichen Texte durch Gestik und Mimik nachvollziehbar zu machen. Das erlebt man nicht so häufig und es wirkt einfach sympathisch. Für das schnelle ‘Where The Pieces Lie’ wird nochmals nachgeregelt – aber nicht etwa in Richtung Erträglichkeit. Ab diesem Zeitpunkt tut der Krach zunehmend in den Ohren weh und der Unmut nimmt zu. Trotz oder gerade wegen der dadurch zunehmend verhunzten, eigentlich tollen Musik, wie dem abschließenden ‘Wheel’.

PS: Wheel sind Support bei der kommenden Katatonia-Tour und dort sicherlich mal zu belauschen, wenn der Mann am FOH-Steuerrad nicht taub oder im Tiefschlaf ist. Just sayin’…

Zankapfel

Immerhin Höchstnoten für die Orga: Alle drei Schlagzeugkits standen von Anfang an bereit. Die Bands bauen alle selbst ab, und das extrem flott. So können bereits gut zehn Minuten später (!) Ghost Iris auf die Bühne hüpfen! Sie gelten als eine von Dänemarks führenden Metalcore-Bands und als Streaming-Phänomen – ihr Album “Vista” war 2016 mit 1,6 Mio. Streams das auf Spotify am häufigsten abgerufene Metal-Album aus Dänemark. Wie schon bei Wheel beruht auch ihr Set komplett auf dem Material vom jüngst auf Long Branch Records erschienenen Album “Apple of Discord”. Erkenntnis nach den ersten Bissen von diesem Streitapfel: die Musik der mittleren Band ist um Faktoren härter als das, was Act No. 1 und 3 offerieren. Weitere Erkenntnis: auch die Kapelle um Sänger Jesper Vicencio wirkt sehr sympathisch. Beispielsweise bitten sie für ihre so viel heftigere Musik um Verständnis und fordern die Zuhörer auf, für Wheel zu johlen. Was wir sehr gerne taten.

‘The Rat and the Snake’ legte schon schnell und wuchtig vor, die ‘Final Tale’ war jottlob noch lange nicht das Ende, denn wir wurden noch mit u.a. ‘Heaven Was Pure Hell’, ‘Beauty in Expiration’ und ‘Virus’ traktiert. Coole Band, leider noch inakzeptablerer Sound, weiterhin unschöne, weil mehr blendende als in Szene setzende Lightshow.

Reckert meckert

Doch nun sollte es erst richtig bitter werden. Soens “Lotus”-Album hatte sich beim Autor spontan in eine Constant Replay-Position ohrgewurmt, u.a. im Auto-CD-Player. Songs wie das hymnische ‘Covenant’ waren ein wesentlicher Grund, sich nach eines langen Rittes Buckelei doch noch dieses Konzert zu geben. Doch leider war es mit dem Sound nun endgültig Essig geworden. Der Höllenhund am Mischpult hatte speziell den Sound von Martin Lopez‘ Schlagzeug so eingeregelt, dass jeder Kick auf die Bassdrum brutal in den Ohren schmerzte und die restlichen Klanganteile im Mix komplett verzerren ließ. Das riss dann leider auch Joel Ekelöfs eigentlich so angenehme Stimme in den Matsch-Abgrund und ließ Songperlen wie das schwer an die samtene Fraktion der Opeth-Songs wie ‘Windowpane’ erinnernde ‘Rival’ zur eigenen Karikatur werden. Beim eigentlich ja besonders schönen ‘Lascivious’ hat es der Betreuer dann buchstäblich nicht mehr ausgehalten und floh mit fiependen Ohren aus dem Saal. Wenn auch tief bedauernd.

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