Kshettra – Five Mothers

(54:35, CD, No Name Records, 2017)
Für das abenteuerliche Herz umtriebiger Hörer ist der Katalog des namenlosen, nonkommerziellen und unabhängigen Labels aus Moskau, das seit 2011 zumeist russische Untergrund-Künstler aller denkbaren Stilrichtungen vertritt, ein auditives Schlaraffenland. Hier gibt es von Gitarrenmusik in den Geschmacksrichtungen Prog, Stoner, Sludge und Psychedelic über experimentellen Jazz bis hin zu Ambient, Improvisationen und Noise so ziemlich alles, was man in den Musikszenen des bislang größten buchstäblichen Kontinentalstaats erwarten würde. Nicht selten schwingt eine merkwürdig zentralasiatisch-urbane Mystik mit, die selbst in den ausufernden elektronischen Capricen von “Five Mothers” immer wieder wahrnehmbar ist. Sie nimmt auf diesem Album eine prominentere Rolle ein als noch auf dem Debüt “i”.

Dass Kshettras Zweitling dadurch zwanghaft modern klänge, kann man aber nicht behaupten. Nach wie vor sind es Bass und perkussives Schlagwerk, Saxophon, Trompete und Bläser, die hier einen vertrackten Ensemble-Tango nach dem anderen servieren. Gut hörbar im rhythmischen ‘Garura Lila’ oder dem Primus-artigen ‘Umbra’. Während der zehn Minuten von ‘Godzindra’ sind dann auch kreative Ahnen wie John Zorn oder Bill Laswell präsent, werden aber nicht profan rezitiert, sondern nur als Quell kompositorischer Ideen herangezogen. Wie gut das aktuell als Trio agierende Projekt diese Integration bereits hochgradig eklektizistischer Musiker in ihren Stil umsetzt, wird vor allem in den beiden anderen Longtracks deutlich: ‘Walk Under The Moon’ und ‘Mechanoya’.

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Der eine beginnt mit düsteren Ambientflächen, Spoken-Word-Passagen und gebiert sukzessiv neue Trompetendrones. Irgendwie obskur, sanft und bedrohlich zugleich, wirkt die Musik wie der subtile Soundtrack einer postmodernen Dystopievision, die Andrei Tarkowski nie verfilmt hat. Es ist leicht darin zu ertrinken, besonders abends.

Der andere stellt wahrscheinlich den Höhepunkt des Albums dar. Schräg und mystisch effektgeladen jammen Drums, Perkussion und Bass über zwölf Minuten lang in einer Stimmung, die wohl irgendwo zwischen Al Cisneros und Colour Haze im besten Sinne die Orientierung verloren hat. Surreale Verquickungen von gleißendem Jazz und matten Grooves, langsam wie Lava. Dieser verrauchte Mitternachtsrock wäre hierzulande auch mal wieder zeitgemäß.
Bewertung: 12/15 Punkten (KR 12, NS 12)

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