Roger Hodgson, John Illsley, 20.08.18, Bonn, Kunst!Rasen

Der feine Grat zwischen Schützenfest-Niveau und Siebziger-Nostalgie

Das vom Kunst!Rasen-Team für sein vorletztes Open Air-Konzert dieser Saison geschnürte Paket aus den noch aktiven Nachlassverwaltern von Supertramp und Dire Straits wirkte in der Papierform noch etwas stimmiger als auf dem Rasen. Dennoch ergab es einen schön musikalisch untermalten Sommerabend.

Der für einige überraschend früh begann. Den Einlassbeginn um 17:30 Uhr nutzten noch recht überschaubare Zuschauermengen und auch als um Punkt 18:15 Uhr John Illsleys Band die hohe Bühne erklomm (für Zuschauer toll, für Fotografen im Graben eine Herausforderung, der u.a. mit Tretleiterchen begegnet wurde), war das Gelände noch nicht annähernd gefüllt.

Der eröffnende ‘Walk Of Life’ marschierte akustisch über ein dreigeteiltes Gelände. Unterteilt in die preiswerteren Plätze hinten, ein teureres Infield und einen exklusiven, teilüberdachten “VIP-Bereich” – wo Klima- und Klang-Verhältnisse aber unerfreulicher als auf den Pöbel-Plätzen waren, wie ein ungenannt bleibender Gewährsmann berichtete.

Apropos unerfreulich – obwohl vom Fotografieren mit einer neuen Kamera schwer abgelenkt, drängte sich doch zunehmend der Eindruck ins Unterbesufftsein, dass mit dieser Version des Dire Straits-Klassikers gleich mehrere Dinge nicht zu stimmen schienen. Die ehedem zartschöne ‘Expresso Love’ zementierte diese Befürchtungen. Die Stimme des Meisters ist per se nicht besonders volltönend – und war hier sogar noch in falscher Bescheidenheit ganz in den Hintergrund gemischt worden. Auch die zahlreichen vor dem Rest der Mannschaft aufgebauten Mikrofone, darunter auch Dire Straits-Keyboarder Guy Fletcher sowie die britische Singer/Songwriterin Hannah Robinson, änderten daran leider wenig.

Bei ‘Romeo And Juliet’ war die Stimme des Lead-“Sängers” fast unhörbar und wurde von Hannah auch kaum gestützt, da sie eine kontrastierende zweite Stimme dazu begleitet.

Doch sie sind ja die ‘Sultans Of Swing’… In der Anmoderation zu diesem legendären Stück erzählte John (seinen Erbschaftsanspruch betonend), wie er und Mark (Knopfler) an diesem Abend wie so oft in London auf der Piste gewesen sein. An dem Abend jener Nacht, in der Mark später daheim den Song komponierte – allein. Bei diesem Stück klingt der Bandleader fast, als werde er gewürgt, und Tonsprünge um grad mal eine Quinte nach oben misslingen beinahe – ein trauriger Kontrast zum ja auch schon unspektakulären, aber immerhin lässigen Sprechgesang des Originalsängers. Was hier allerdings ungemein tröstet, sind die teils grandiosen Solo-Passagen der drei Gitarristen, darunter immerhin der beeindruckende Robbie McIntosh (u.a. The Pretenders, Talk Talk, Paul McCartney)!

‘In The Darkness’, der Song über die Schattenseiten des Internet, gelingt etwas besser – es handelt sich allerdings auch um eine Eigenkomposition.

‘Tunnel of Love’, ‘Money For Nothing’, ‘Brothers In Arms’ zeigen leider wieder das gleiche Bild – bis auf das etwas zu stoische Schlagzeug bieten sie teils wunderbare Instrumentalpassagen, die allerdings vom Gesang auf Bierzelt-Karaoke-Niveau hingemeuchelt werden. Man versteht nicht, warum hier nicht einfach ein fähigerer Leadsänger engagiert werden kann, so dass John sich auf das Bass-Spiel konzentrieren könnte. Die Chronistenpflicht gebietet allerdings den Hinweis, dass all dies vom Publikum höflich bis herzlich beklatscht wurde.

»Crisis? What Crisis?«

Sollte womöglich der ganze Konzertabend zu einer krisenhaften Enttäuschung geraten? Keinesfalls. Roger Hodgson führte im Folgenden so charmant wie professionell den inzwischen über 3.000 Erschienenen vor, wie sich Vergangenheitsbewältigung und Kulturpflege auch anhören können. Nicht aber, ohne vorher in ausgemachter Höflichkeit zu betonen, dass er den Gig von John Illsleys Band ganz verfolgt – und durchaus genossen – habe.

Apropos Höflichkeit: seinem Publikum schmiert der 68-Jährige nach dem Aufmacher ‘Take The Long Way Home’ erst einmal ordentlich Honig ums Maul (“ich fühle mich in Deutschland immer so geerdet” – denn:”everything works”). ‘Breakfast in America’ widmet der Brite mit dem unverkennbaren, immer noch tragenden und fesselnden Tenor ausgerechnet Fred Durst! Und zwar weil er weiß, dass der bereits – im besagten VIP-Tempel – anwesend ist. Denn der US-Star wird am folgenden Tag mit Limp Bizkit den Kunst!Rasen rocken. Zu einem gemeinsamen Auftritt kam es dann aber (gottlob) nicht.

Nun aber back to ‘School’ – eingeleitet von dem sehnsuchtsvoll-melancholischen Mundharmonika-Motiv, das Michael Ghegan (u.a. The Allman Brothers) ebenso großartig interpretiert, wie sämtliche Saxophon-, Flöten- und Melodika-Parts des folgenden Konzerts. Auch zusätzliche Keyboards und Hintergrundgesang steuert der Sideman kompetent bei.

‘In Jeopardy’ entstammt nicht dem Supertramp-Kanon, passt aber ähnlich gut wie ‘Along Came Mary’, das ebenfalls von einem Hodgson-Soloalbum stammt. ‘Death and a Zoo’ in seiner Dschungel-Akustik hingegen sticht deutlich ab.

Ansonsten wird dem Publikum gegeben, was es will – der volle “Weisstenochdamals”-Trip: ‘The Logical Song’, ‘Even In The Quietest Moments’, ‘Dreamer’, ‘Fool’s Overture’, ‘Give A Little Bit’ – schon als Zugabe – und ‘It’s Raining Again’, eine Prophezeiung, die sich aber erfreulicherweise nicht erfüllte.

PS – hier gibt es Roger Hodgson auf dieser Tour noch zu bewundern:
21.08. Leipzig, Parkbühne
23.08. Hamburg, Stadtpark
24.08. Hanau, Schloss Philippsruhe
25.08. Spiez (CH), Seaside Festival
26.08. Beverungen, Weserwiesen Open Air
28.08. Bremen, Muscal Theater
29.08. Gießen, Schiffenberg, Kultursommer, BP.de betreut vermutlich vor Ort
31.08. Hemer, Sauerlandpark
01.09. Mannheim, Rosengarten
02.09. Bochum, Zeltfestival, s.u.
04.09. Aachen, Kurgarten, Kurpark Classix
06.09. Stuttgart, Liederhalle
07.09. München, Philharmonie
08.09. Berlin, Tempodrom

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Setlist vom 18.08.18
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Live-Fotos: Klaus Reckert