Keith Emerson – Emerson Plays Emerson

(62:28, CD, Emersongs/Cherry Red, 2002/2017)
Keith Emerson dürfte nahezu allen Lesern dieser Seite bekannt sein. Nur falls im Einzelfall doch nicht: der im März 2016 verstorbene britische Musiker zählt zu den wichtigsten Keyboardern des Progressive Rock und rückte die Hammond-Orgel und vor allem den Moog-Synthesizer ins Rampenlicht der Rockmusik.

Seine beiden Hauptbands The Nice (Ende der 1960er-Jahre) und Emerson, Lake & Palmer (in den 1970er-Jahren) prägten das Genre nachhaltig durch Adaptionen klassischer Stücke und die zentrale Rolle von Tasteninstrumenten in der Musik. Gerade der bahnbrechende Einsatz von Synthesizern in seiner Zeit bei Emerson, Lake & Palmer wurde und wird als musikalische und technische Pionierleistung gefeiert, u.a. durch die Verwendung solcher mitunter wandschrankgroßer und empfindlicher Instrumente in Konzerten, was selbst deren Hersteller Dr. Robert Moog seinerzeit für schwer realisierbar hielt. Auch galt Emersons brachiales Orgelspiel schon bei The Nice als berühmt-berüchtigt: mit Messern fixierte er die Tasten seiner Orgel, um Dauertöne zu erzeugen, während er das Instrumente mehr oder weniger über die Bühne prügelte und dabei Töne und Klangfarben erzeugte, die man in leicht ähnlicher Form nur von Jimi Hendrix‘ Gitarrenspiel kannte.

Allerdings geht es bei dem hier besprochenen, von seiner Familie betreuten und freigegebenen Remaster-Album “Emerson Plays Emerson” in keiner Weise um elektronische Instrumente oder Hammonds, sondern um das – nach Emersons eigenen Worten – für ihn wichtigste Instrument, den Flügel. Als gelernter Pianist schrieb er sämtliche Stücke auf einem Flügel, notierte sie und schmückte sie erst im Studio mit seinen anderen Instrumenten so aus, wie sie später auf den Alben und im Konzert zu hören waren. Auch waren die aus den Konzerten bekannten langen Pianoimprovisationen oft der emotionale Höhepunkt, ließ er dort seiner musikalischen Kreativität doch völlig freien Lauf und zeigte sich dabei im Besonderen als Meister der Tasten. Für Emerson typisch ist dabei sein beherztes und robustes Klavierspiel, das hier – dem Konzept des Albums geschuldet – voll zur Geltung kommt. Anders als sein guter Freund Rick Wakeman (von Yes), der durch seine sehr detaillierte und ausgeschmückte Spielweise auffällt, haut Emerson kräftig in die Tasten und gibt daher auch Balladen eine gewisse Härte im Klang. Daran erkennt man seinen Stil sofort, denn kaum jemand betont das Perkussive des Pianos so, wie Emerson es tat.

Auf diesem ursprünglich 2002 erschienenen Album sind nahezu durchgängig Solostücke von Emerson am Piano zu hören, ab und an Stücke aus dem ELP-Repertoire (‘Creole Dance’, ‘Close To Home’) oder Jazzstandards (‘Summertime’), ein Duett mit Oscar Peterson (‘Honky Tonk Train Blues’) und zum Abschluss auch ein kurzes Medley, das Emerson mit 14 Jahren aufnahm. Zwei Stücke werden mit Bass und Schlagzeug begleitet, es sind aber statt Greg Lake und Carl Palmer jeweils zwei Studiomusiker am Werk. Etwas über eine Stunde dauert das Album und man merkt ihm an, dass hier nicht eine einzige Aufnahmesession präsentiert wird, sondern neben (damaligen) Neuaufnahmen auch einige Tracks aus Emersons Archiven hinzugefügt wurden, manche direkt von vorherigen Alben, z.B. Stücke von Soundtracks (‘Prelude To Candice’, ‘The Dreamer’), was jedoch vermerkt wurde. Das muss per se nicht schlecht sein, allerdings fallen die unterschiedlichen, aber nie schwachen Aufnahmequalitäten dennoch auf (von dem zu Hause aufgenommenen Medley aus Emersons früher Jugend einmal abgesehen).

Wer auf diesem Album Progressive Rock erwartet, sucht und hört hier vergebens. Das Album dreht sich stattdessen einzig und allein um Keith Emersons Lieblingsinstrument, das Piano. Und es und pendelt zwischen Jazz, Ragtime, ein wenig Klassik und etwas Blues. Mag das Album bei seiner ursprünglichen Veröffentlichung im Jahr 2002 noch einerseits überraschend (seit 1995 hatte er kein Soloalbum mehr veröffentlicht), andererseits sinnvoll (ein reines Pianoalbum gab es von ihm zuvor nie) erscheinen, so wirkt es anderthalb Jahre nach Emersons Tod wie ein recht privat wirkender Rückblick, selbst wenn nach 2002 noch ein paar weitere interessante Töne von ihm zu hören waren.
Bewertung: 12/15 Punkten (WM 12, KR 11)

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