Vera Naus, 08.09.2017, Bedburg, Schloss Bedburg

A Young Heart At The Old Castle

Während viele Newcomer im Jazz bemüht sind, sich mit Neuinterpretationen von Jazzstandards einen Namen zu machen, geht die 26-jährige Sängerin Vera Naus einen ganz anderen, eigenständigen Weg. Sie präsentierte mit ihrer vierköpfigen Band ihr im Juni erschienenes Debütalbum “Young Heart” im Rittersaal des Schlosses ihrer Heimatstadt Bedburg, westlich von Köln gelegen.

Dass der Abend für die Sängerin sehr persönlich war, merkte man bereits im Vorfeld des Konzerts an der sehr familiären Atmosphäre, die im Saal herrschte. Die Instrumente standen auf der Bühne bereit, das Publikum fand sich ein, und vor dem Konzertbeginn führten der Pianist Sebastiaan van Bavel und der Kontrabassist Jasper Somsen noch eine Art persönlichen Soundcheck durch. Die erste Hälfte des Konzerts begann mit dem Titelstück von Vera Naus’ Debütalbum: ‘Young Heart’. Dieses erste Stück und auch das zweite, ‘Puppet On A String’ (nicht der Hit von Sandie Shaw), zeigten in ihrer überraschenden Vielfältigkeit bereits, wohin die Reise gehen sollte: Es wurde ein Abend mit nahezu grenzenlosem akustischen Jazz.

Zwar hörte man eine eher schlichte und recht klassische Instrumentierung – Piano, Kontrabass, Schlagzeug, Flügelhorn und Gesang –, aber was die einzelnen Musiker aus ihren Instrumenten herausholten und Vera Naus mit ihrer klaren und mal sanften, mal kraftvollen Stimme schuf, machte deutlich, dass hier höchst professionelle und ausgebildete Musiker am Werk waren. Hier wurde Jazz unter der oft sehr zurückhaltenden und doch kontrollierenden Leitung der Sängerin neu gedacht.

Kurze Blicke und unscheinbare Gesten genügten Vera Naus, um ihre ohnehin schon sehr gut aufeinander abgestimmte Band zu steuern. Man merkte bei jeder Note, dass diese Band bereits 2016 die Stücke des Debütalbums im Studio aufgenommen hatte. Besonders schön war das Zusammenspiel zwischen Vera Naus und Angelo Verploegen am Flügelhorn mit seinem weichen Klang, ungleich einer spitzer klingenden Trompete. Beide ergänzten sich melodisch so gut, ob nun in den einzelnen Strophen und Refrains der Stücke oder in wortlosen und lautmalerischen Instrumentalpassagen, bei denen vor allem die Sängerin ihre ganze Klasse beweisen konnte.

Vera Naus‘ Ansagen zwischen den Stücken dienten häufig als Erklärungen für die oft autobiographischen Songtexte sowie ihre Inspirationen und legten den Fokus auch auf die Entstehung des Albums. Manche Stücke sind schon ein paar Jahre alt, aber alle sind sie gleichermaßen sehr ausgereift, ausgearbeitet und bereits zeitlos. Die mitunter überraschenden lyrischen Ideen dahinter reichen von dem aus Alliterationen bestehenden ‘The Two That Touch’ über krankhaftes Entschuldigen namens ‘Apologitis’, dem lyrischen Erfassen eines Tabla-Stücks mit dem Titel ‘Dha Dhin’, bis zu dem von der Sängerin als “oldschool” bezeichneten Drogentrip ‘Liquid Cabs’ mit psychedelischem Mittelteil.

“Man muss sich auf die Musik einlassen”, sagte eine Zuschauerin in der Pause des Konzerts – und dies schien fast das gesamte Publikum zu tun. So konzentriert, wie die Band auf der Bühne zugange war, so gebannt schaute das Publikum zu. Es hing förmlich an jeder ausklingenden Note, sodass oftmals ein Lächeln der Sängerin den Zuschauern signalisierte, nun applaudieren zu können. Zwischenapplaus nach einzelnen Soli – eine durchaus nett gemeinte Geste in Jazzkreisen – wäre zwar berechtigt gewesen, blieb jedoch glücklicherweise aus, da er die Stücke nur gestört hätte.

Die Musik war an diesem Abend so dicht durch ihre detailreichen Melodien und die zahlreichen rhythmischen Wechsel, die vor allem der Schlagzeuger Ruud Voesten vorantrieb, dass sie die Atmosphäre Stück für Stück, Takt für Takt und über alle Songs des Albums entfaltete. Es würde dem musikalischen Konzept des Albums und des Konzerts nicht gerecht werden, die einzelnen Stücke zu analysieren, da sie im Konzert schlichtweg so übergreifend funktionierten, dass nicht einmal die originale Reihenfolge des Albums eingehalten werden musste. Alle Stücke waren so rund und stellenweise doch experimentell, haben aber nie den Faden verloren, natürlich dank der Klasse der Band.

Die Zugabe bildete ein Stück des Jazzsängers Kurt Elling, nämlich ‘Samurai Cowboy’ – zugleich das einzige Stück des Abends, das nicht aus der Feder von Vera Naus stammt. Auch dabei konnte die gesamte Band noch einmal ihre Stärken zeigen, und davon hatte sie nicht wenige. Nach diesem grandiosen Abend bleibt zu hoffen, dass sich Vera Naus mit ihrer Band in der Welt des Jazz und darüber hinaus einen Namen machen kann – verdient hätte sie es.

Setlist:
1. Young Heart
2. Puppet On A String
3. Hail Caesar
4. Daddy’s Little Girl
5. Apoligitis
– Pause –
6. Eskimo Kisses
7. Liquid Cabs
8. The Weddingpicture
9. Dha Dhin
10. The Two That Touch
– Zugabe –
11. Samurai Cowboy

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Live-Fotos: Artem Lauk