Marillion, 25.07.17, Frankfurt/M., Batschkapp

Steve Hogarth, hier gerade sehr geerdet.

Nachdem Marillion erst kürzlich, am 16. Juli 2017, als einer der Headliner des “Night of the Prog”-Festivals im Rhein-Main-Gebiet aufgetreten waren, gab es am Dienstag den 25.07 ein erneutes Gastspiel der Musiker um Steve Hogarth in der Frankfurter “Batschkapp”.

Grund für diesen so kurzen zeitlichen Abstand ist die Tatsache, dass Marillion bei der NotP für die Band Kansas eingesprungen waren, nachdem die Amerikaner eine Reisewarnung ihrer Regierung für Europa wohl etwas zu ernst genommen hatten. Trotz dieses doppelten Gastspiels war die neue Batschkapp randvoll, was die zurückgewonnene Popularität der einstigen Neoprog Vorreiter unterstreicht.

Während andere Bands aus der gleichen Dekade weitestgehend von der eigenen Vergangenheit leben, geben die Marillen selbstbewusst ihr komplettes aktuelles Album “F.E.A.R.” zu Besten, das dazu noch mit drei wirklichen Longtracks (‘El Dorado’, ‘The Leavers’, ‘The New Kings’) gespickt ist. Das Publikum ist begeistert und erlebt neben einen bestens aufgelegten Steve Hogarth vor allem einen quirligen Pete Trewavas und den gewohnt souveränen Steve Rothery. Mark Kelly hält sich dezent im Hintergrund, und Ian Mosleys Tiefenentspannung an den Drums ist weithin bekannt. Im Vergleich zur Studioeinspielung bekommt das Werk durch Hogarths engagierten Auftritt und auch durch die sehr stimmigen Videoprojektionen einen zusätzlichen Kick. “F.E.A.R.” manifestiert sich auch dadurch immer mehr zu einem der besten Alben der Bandgeschichte, das nun auch auf der Bühne den Test der Zeit bestanden haben dürfte.

Pete Trewavas, unterschätzester Bassist aller Zeiten?

Steve Rothery, verlässlich großartig.

Mark Kelly, spielte übrigens auch mal mit Travis.

Ian Mosley. Gewinnspiel: Finde den Schlagzeuger.

Im Anschluss stehen einige länger nicht gespielte Klassiker auf dem Programm. ‘Beyond You’ ist eine schöne Überraschung (wurde aber im Gegensatz zum Album in Stereo gespielt), wohingegen ‘Man Of A Thousand Faces’ gewisse Abnutzungserscheinungen aufweist. Auch Steve Hogarth scheint nicht ganz grün mit dem Stück zu sein, vergisst er doch prompt mitten im Refrain den Text. Aus jüngerer Zeit bekommt man noch ‘Sounds That Can’t Be Made” zu hören, das live nur bedingt überzeugt.

Dass die Position des Frontmanns in einer Rockband nicht selten zum frühen Ableben führt, hat in den vergangenen Jahren leider eine dauerhafte wie traurige Aktualität bekommen. Während der Ansage zum Titel ‘King’, der diese Thematik schon 1995 vor dem Hintergrund von Kurt Cobains Selbstmord behandelte, beruhigt Hogarth sein Publikum mit den Worten “Fortunately I’m a very grounded individuum”. Im Hintergrund laufen derweil jede Menge Videos zu diversen kürzlich oder schon länger Verstorbenen Berühmtheiten, was für den einen oder anderen emotionalen Moment sorgt. Danach ist erstmal Schluss, die Band hat hiermit fast zwei Stunden nahezu perfekte Unterhaltung abgeliefert.

Im Zugabenteil stimmt man zur Überraschung des Publikums zunächst ‘Ocean Cloud’ an, um nach der ersten Strophe zu ‘Easter’ zu wechseln. Schade eigentlich! Der Übergang war dennoch charmant, und so bekommen die Zuschauer doch noch einen Oldie zu hören. Als letzten Titel spielt die Band noch ‘Neverland’, das ähnlich wie ‘Man Of A Thousand Faces’ Abnutzungserscheinungen zeigt. Bei anderen Gigs während der aktuellen Tour gab es interessantere Alternativen zu hören.

Insgesamt überzeugten Marillion aber wieder einmal als perfekt eingespielte Liveband, die ihren Zuschauern mit eindrucksvollen Videoprojekten und ansprechender Lightshow auch echte Showwerte bietet. Mit fast zweieinhalb Stunden Spielzeit gab es einigen “Bang for the Buck”, wenngleich man die zweite Hälfte der Setlist etwas spannender hätte gestalten können – der Backkatalog der Band gibt mehr her. Trotzdem entlassen Marillion eine Menge zufriedener Menschen in die kalte und verregnete Julinacht. Danke Marillion, immer wieder gerne!

Text: Dieter Hoffmann mit Henrik Kropp
Konzertfotos: Henrik Kropp

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