Big Big Train – Folklore

(68:37, CD/LP, Eigenveröffentlichung/Just for Kicks, 2016)
Bei Big Big Train geht es momentan Schlag auf Schlag: Vor kurzem erst die Veröffentlichung der Blu-ray “Stone & Steel”, nun also schon das neue Album “Folklore”. Letzten Sommer gab es bereits einen kleinen Teaser in Form der EP “Wassail”, deren Titelstück befindet sich nun auch auf dem neuesten Output.

Big Big Train (BBT) starten opulent mit dem titelgebenden ‘Folklore’, treibende Grooves zur Hammondorgel lösen sich im Refrain in schöne Harmonien auf, unterstützt durch Geige und Chorgesang. Dabei schafft die Band es perfekt, sich zwischen Retro-Prog und Folk zu bewegen. Meisterhaft! ‘London Plane’ verwöhnt mit schöner Flötenbegleitung und David Longdons Gesang erinnert nicht nur von ungefähr an Peter Gabriels beste Zeiten. Spätestens beim Refrain war es dann schon um den Schreiber dieser Zeilen geschehen, bei der erhabenen Schönheit solcher Zeilen können sich auch schon mal Tränen in die Augen schleichen:

“Sailing on the English way
Racing on the high tides
Here by the riverside
Reaching for the day’s last light”

Gegen Ende steigert sich der Track zu einer echten Prog-Perle, ohne dabei in irgendeiner Form das Augenmaß zu verlieren. Big Big Train bekommen immer zum genau richtigen Moment die Kurve. Wo man meint, nun schon das Highlight des Albums gehört zu haben, gibt es mit ‘Along the Ridgeway’ gleich den nächsten Höhepunkt. Ohne Mühe schüttelt man die nächsten Harmonien aus dem Ärmel. Selten hört man übrigens Blasinstrumente so gekonnt und passend eingesetzt wie hier. Der Übergang zu ‘Salisbury Giant’ gestaltet sich fließend, ein weiteres für dieses Album typisches Stück: Groovende Sequenzen wechseln sich mit äußerst melodischen ab, ohne dass es dabei erzwungen oder gewollt wirkt.

Das Bläserintro auf ‘The Transit of Venues Across the Sun’, ergänzt durch Geige, ist dann der nächste Gänsehaut-Moment. Wer Musik liebt, gleich welcher Art, dürfte hiervon nicht unberührt bleiben. Manchmal sind ja Intros besser als die nachfolgenden Songs, nicht so hier: Die einnehmende Eleganz des Gitarrenspiels, begleitet von Trompeten und Klavier, der gefühlvolle Gesang – hier passt einfach alles.

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Auf das schon bekannte ‘Wassail’ braucht man nicht näher eingehen, es ist in unveränderter Form vorhanden. Der Song fällt ein wenig aus dem Rahmen, was ihn aber keinen Deut schlechter macht.  Mit ‘Winkie’ bedienen BBT das weite Feld des Neoprogs, hier findet sich am ehesten das, was der “klassische Progger” gerne hören möchte. BBT verbinden außerordentliche Eleganz mit viel Fingerspitzengefühl für die richtigen Wechsel zwischen verspielten und weniger verspielten Momenten.

Langsam gehen dem Rezensenten nun die Superlative aus, allerdings sind wir immer noch nicht am Ende angelangt. Auf ‘Brooklands’ zitieren sich BBT selbst auf äußerst passende Art und Weise. “I was a lucky man”, singt Longdon hier, wir dürfen uns glücklich schätzen zuhören zu dürfen. ‘Telling the Bees’ beendet das Album, mit den zu hörenden Folk-Einflüssen schließt sich der Kreis passend zum Opener. Man möchte sofort wieder auf Play drücken oder die Nadel erneut aufsetzen (das Album ist natürlich auch auf Vinyl erschienen).

Liefern Big Big Train hier vielleicht schon das Prog-Album des Jahres 2016 ab? Vieles spricht dafür, aber letztlich sind solche Begrifflichkeiten auch vollkommen egal. ‘Folklore’ wohnt soviel Zauber und Schönheit inne, dazu klingt es noch wie eine Liebeserklärung an die Musik an sich. Auf dem Album wirkt keine Note zuviel oder zu wenig gespielt, die Band bleibt zu jeder Zeit geschmackssicher und taktvoll. Dazu kommt die unfassbar gute, warme und gleichzeitig glasklare Produktion. Dass hier jeder der beteiligten Musiker ein Meister seines Faches ist, braucht man sowieso nicht mehr weiter zu erwähnen. Vielleicht ist BBT  mit ‘Folklore’ tatsächlich ihr persönliches Meisterwerk in ihrer an Highlights nicht armen Diskographie gelungen? Die Zeit wird es zeigen.
Bewertung: 14/15 Punkten (WE 13, DH 13, HK 14, KR 11)

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