Spock’s Beard, Special Providence, Synaesthesia, 27.09.15, Köln, Essigfabrik

Endlich einmal eine Veranstaltung quasi vor der eigenen Haustür! Dass zudem die Spock´s Beard Tour 2015 dann auch noch im eher wenig an Progressive Rock interessierten Köln Station macht, war zusätzlich eine sehr erfreuliche Nachricht. Dass zur Hauptband noch zwei weitere interessante “Support Acts” bzw. “Special Guests” aufgeboten wurden, steigerte weiter die persönliche Lust, der Kölner Essigfabrik einen Besuch abzustatten.
Gegen 19.00 Uhr ging es in der, mit schätzungsweise knapp 300 Besuchern, für dieses Genre zwar relativ gut besuchten, aber für diese Zahl deutlich abgehangenen Halle mit der britischen Band Synaesthesia los. Den meisten Insidern durfte das gleichnamige Debütalbum bereits bekannt gewesen sein. Umso größer war die Spannung, was die (sehr) jungen Musiker in ihrem knapp 35-minütigen Liveauftritt zu bieten haben. Bevor allerdings der erste Ton erklang, gab es für das Publikum noch einige News zur aktuellen EP “Kyros” und zu hören (und auf der Website auch nachzulesen), demnach wird aus dem Bandname Synaesthesia jetzt Kyros. Vielfältige Gründe sprachen für einen Namenswechsel, dieser soll u.a. auch einen Wandel und eine Entwicklung der Bandhistorie symbolisieren.

In der aktuellen Besetzung führt der Gründer der Band und singender Tastenmann, Adam Warne, die Geschicke der Truppe und hat mit Sam Higgins (Guitar, Backing Vocals), Joey Frevola (Guitar), Robin Johnson (Drums, Percussion) und Peter Episcopo (Bass, Backing Vocals) eine gut ausgebildete, schlagkräftige Musikerschar um sich geschart. Jung, dynamisch, frech war dann auch der Auftritt mit insgesamt fünf alten bzw. neuen Songs.

Furios bearbeitete Warne seine Keyboards, streute hier und da seinen guten Gesang ein, ergänzt durch knackige Gitarren und gut vernehmbares Schlagzeugspiel. Alles verwoben zu einem Mix aus neoproggigen Anleihen, melodischen Rockelementen, raueren Alternative-Klängen und hardrockigen Phasen. Zwischendrin auch Momente, die das verwöhnte Melodie- und Harmonie- Ohr durchaus aus dem Gleichgewicht zu bringen vermochten. Diese etwas schrägeren Momente brachten eine besondere Note in den kurzweiligen Vortrag und zeigten deutlich, dass es der Band keineswegs an mangelndem Selbstbewusstsein zu fehlen scheint. Gespannt darf man sein, wohin zukünftig die musikalische Reise gehen wird oder ob es nur bei einer Namensänderung bleiben wird.

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Nach einer kurzen Umbaupause durften sich meine langjährigen Freunde von Special Providence erstmalig in Köln dem erwartungsvollen Publikum präsentieren. Die aus Budapest stammenden Musiker haben sich zwischenzeitlich durch bereits vier veröffentlichte Alben und einer Vielzahl von international beachteten Auftritten (u.a. Night of the Prog 2015, ProgSud, Crescendo Festival) einen gewissen Bekanntheitsgrad erarbeitet. Im Rahmen der Spock´s Beard Tour 2015 dürften die 16 Gigs einen weiteren Schritt nach vorne in der Karriere der Band bedeuten.

Bei ihren ersten drei CDs stand der virtuose, doch leicht zugänglichere Stil der Ungarn im Vordergrund. Damit avancierten sie m.E. zu einer der besten modernen Instrumental-Bands in Mittel- und Osteuropa. Die Mischung aus modernem Jazz, progressivem Rock/Metall und Electronica ließen viele Fans aufhorchen. In dieser Kombination gibt es nur wenige vergleichbare Bands.
Der Ersatz des bis 2014 etatmäßigen Tastenmanns Zoltan Cséry brachte nun mit dem vierten Album einen deutlich härteren und aggressiveren Stil. In der aktuellen Besetzung boten Ádám Markó am Schlagzeug Attila Fehérvári am Bass, Márton Kertész an der Gitarre sowie Zsolt Kaltenecker an den Keyboards einen extrem dynamischen Live-Act. Bis zum Abwinken wurde gefrickelt und mit harten Gitarrenläufen ein Tempo angeschlagen, dass einem fast der Atem wegblieb. Speed Prog, Jazz, Metal – wie es einem Gros der bis dato noch nicht Gehörgeschädigten sichtlich gefiel. Auch wenn die Lautstärke und der D-Zug-artige Vortrag dem einen oder anderen sicherlich grenzwertig erschien, bleibt eins festzuhalten: Hier waren und sind 4 exzellente Musiker am Werk, die ihr Handwerk bis ins Detail verstehen. Dieses belegen auch diverse Auszeichnungen des hervorragenden Drummers Ádám Marko.

Nach etwa 35 Minuten und sechs Titeln war der musikalische „Geschwindigkeitsrausch“ auch schon wieder vorbei, so dass leider zu wenig Gelegenheit gegeben war, mehr von der vielfältigeren/ sanfteren Seite Special Providence zu hören. Vielleicht dann beim nächsten Mal?

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Die Zeit des Wartens auf die Hauptprotagonisten des Abends Spock´s Beard war ausgefüllt mit viel Fachsimpelei und der wachsenden Vorfreude auf einen musikalischen Leckerbissen.
Es ist sicherlich nicht verkehrt, die Band als Urgestein des “modernen” oder auch wiederbelebten Progs zu bezeichnen. 1992 von den Brüdern Alan und Neal Morse gegründet, gelten die US Progressive Progger als feste Größe in diesem Genre. Auch nach der Trennung von Keyboarder und Sänger Neal ist auch nach Jahren keine spürbare Einbuße an Qualität und Kreativität zu beobachten, was die aktuelle Besetzung, bestehend aus Gitarrist Alan Morse, Bassist Dave Meros, Keyboarder Ryo Okumoto, Schlagzeuger Jimmy Keegan und Sänger Ted Leonard, an diesem Abend auch eindrucksvoll bewiesen hat.

Auf Ihrem gerade erschienenem Studio-Album “The Oblivion Particle” wird konsequent der eigene Stilmix aus 70iger Jahre Progressive Rock mit melodischen Pop Rock Einflüssen fortgeführt und das alles in der erwartet amerikanischen Perfektion.

Die zu Beginn des Gigs aufgetretene kleinere technischen Probleme wurden zur absoluten Nebensächlichkeit. Ganz im Gegenteil, so konnte man den Eindruck gewinnen, dass Ryo und Alan sogar zusätzlich animiert wurden. Immer wieder erwiesen sie sich auf der Bühne als Spaßvögel und suchten stets zur Freude des begeisterten Publikums den Kontakt und versuchten, dieses mit einzubinden. Neben diesem sympathischen Erscheinungsbild stand aber durchaus der starke musikalische Auftritt im Vordergrund.

Die wunderschönen, akustischen Passagen und der traumhaft und teils fugenartig versetzte Harmoniegesang wussten vor allem zu gefallen. Diese Elemente passten sich perfekt in die verspielten Arrangements der dargebotenen Titel ein. Lebendige Gitarren-Parts, vielseitig eingesetzte Keys, flirrende Synthies und gegen Ende des Konzerts ein virtuos vorgetragenes Schlagzeugsolo sprachen nur eine Sprache: einfach Klasse! – Spaß und Lebensfreude pur.

Setlist:
1. Tides of Time
2. On a Perfect Day
3. Hell’s Not Enough
4. The Good Don’t Last
5. Minion
6. A Better Way to Fly
7. Afterthoughts
8. To Be Free Again
9. Bennett Built a Time Machine
(Acoustic; Premiere: First time ever)
10. June
11. Waiting for Me
Zugabe:
12. The Distance to the Sun
13. The Water

Mit zwei wunderbaren Zugaben ging ein abwechslungsreicher Konzertabend trotz gut drei Stunden Musik viel zu schnell zu Ende.
An der Reaktion, der bis zum Schluss ausharrenden Fans, lässt sich ohne große Abstriche sagen: mehr davon und, wenn möglich, auch öfter im Rheinland. Meinen Dank an die Musiker und selbstverständlich auch an den Veranstalter für das gut organisierte Event.

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Live-Fotos: Timo Riedel