The Pineapple Thief, Godsticks, 25.01.17, Oberhausen, Zentrum Altenberg

Diebisches Vergnügen …


… hat dieser Abend mit einer noch zu behandelnden Ausnahme wohl allen Anwesenden bereitet: Menschen, die u.a. als Merchandise-Fee jeden Auftritt der Tournee gesehen haben, sprachen sogar von “one of the best shows on the tour”.

Aus Sicht von Bands und Veranstalter setzte der Umstand positive Akzente, dass das Konzert schon geraume Zeit ausverkauft war – Prog sells! Aus Perspektive der Besucher wurde dankbar vermerkt, dass der Einlass bei knatterkalten Temperaturen dennoch zügig verlief und es in dem wunderhübschen “soziokulturellen Zentrum Altenberg”, das sich mit dem LVR-Industriemuseum das Gelände der ehemaligen Zinkfabrik Altenberg teilt, dennoch nie unerträglich beengt wurde. Ein Verantwortlicher verriet unserem Wolfram dazu, dass man sich entschlossen habe, nur 250 Tickets auszugeben – in der Hoffnung, die Fans werden das angenehmere Konzerterlebnis goutieren und weitererzählen. Was wir besonders gerne tun. Nicht ohne den auch schon bei der Vorgruppe exzellenten Sound und die angenehmen Licht- und Luftverhältnisse zu erwähnen.

Die Godsticks eröffneten denn auch pünktlich mit ‘Ruin’ und ‘Below The Belt’ das Konzert, dem knalligen Aufmacher des aktuellen “Emergence”-Albums. Auch live bestätigte sich der Eindruck, dass das ehedem bisweilen extrem verfrickelte Quartett aus Cardiff inzwischen eine Formel für zugänglichen, kraftvollen Progrock gefunden hat. Inzwischen singt Sänger/Gitarrist Darran Charles lang gehaltene, melodische Linien, die den Hörer durch die darunter brodelnde teilweise immer noch flirrend unruhige Musik tragen.

Auch im Folgenden blieben die Waliser dem aktuellen Material treu, das hier teilweise erst zum fünften Mal live aufgeführt wurde. Einziger Kritikpunkt bleibt vielleicht, dass die Ansagen des sympathischen Frontmanns an sein freundlich reagierendes Publikum leider nur sehr schwer verständlich waren.

Nach erfreulich kurzer Umbaupause fand sich besagter Darran wieder auf der Bühne ein – da er als Live-Gitarrist das Set von The Pineapple Thief ebenso bereicherte, wie er das schon bei den Aufnahmen zum aktuellen Ananas-Diebstahl “Your Wilderness” getan hatte. Dies erlaubte Komponist, Sänger und Gitarrist Bruce Soord, ‘Tear You Up’ mit akustischer Gitarre anzugehen. Nach einem kurzen Schwenk zu ‘The One You Left To Die’ (von “Magnolia”, 2014) wurde bereits wieder “Your Wilderness” gewürdigt – und gleich mit dem vermutlich allertraurigschönsten Track davon, ‘No Man’s Land’. Apropos traurig, da sind wir ja noch eine Erläuterung schuldig – für einige Anwesende war ein ausgesprochener “Star” und Glücksfall der Tour, dass Gavin Harrison (King Crimson, Porcupine Tree) mit von der Partie war – extra dafür waren die ursprünglich kommunizierten Europatournee-Termine wieder abgesagt worden. Nun stand also sein beeindruckendes Kit in der hinteren rechten Bühnenecke, und Gavins so elegantes wie kraftvolles Spiel trieb ‘The One…’ in ungeahnter Weise voran.

Vermutlich ging der auch im Interview nie wie ein Egomane wirkende Bruce davon aus, dass ihn ohnehin jeder im Raum kannte, jedenfalls erfolgte keine Vorstellung oder extra Würdigung, wie etwa für Darran. Ob der Meistertrommler darüber verschnupft war, ist nicht zu klären. Völlig eindeutig und auch von einem Facebook-Rant belegt ist, dass Gavin ernsthaft genervt von längere Zeit filmenden (Handy-)Kameramännern im Publikum war, da er sich begreiflicherweise in seiner Konzentration gestört fühlte. Übrigens ist eine DVD zur Tour geplant, was das Amateurfilmen ja besonders unnötig erscheinen lässt.

‘Alone At Sea’ (“Magnolia”) präsentierte ausgezeichneten Hintergrundgesang von Darran und Bassist Jon Sykes, was Bruce gestattete, mit seiner phänomenalen Kopfstimme ganz nach oben zu gehen. Das Stück wurde vom Chef mit einem prächtigen Slide-Solo veredelt, danach ging er in ein Rock’n Roll-Schema über und Darran solierte spritzig und relativ frei darüber, was sich bei ‘In Exile’ wiederholte.

‘Show A Little Love’ von “Someone Here Is Missing” (2010) mit seinem spröden Beginn, dann einsetzenden Heavy-Riffs und Loops zeigt eine andere, frühere Seite der endlich vom Erfolg heimgesuchten Truppe. ‘Part Zero’ geht zurück zu “Variations On A Dream” (2004), in eine Zeit, in der die Band “auf einem sehr kleinen Label erschien” (Cyclops) und “keine Live-Auftritte hatte”, wie Bruce sein hingerissenes Publikum wissen lässt. Die Nummer beschäftigt sich u.a. mit dem (Un-)Sinn, Songs zu schreiben, die vermutlich niemand je hören wird”. Dieses jetzt in einem ausverkauften Club vor lauter glücklichen Gesichtern singen zu können, dürfte ein angenehm ironisches Gefühl erzeugen.

‘The Final Thing On My Mind’ beendete den regulären Teil, doch das Publikum erjubelte sich noch ‘Snowdrops’ (pure melancholische Ästhetik, von “Little Man”, 2006) und das überdrehte ‘Nothing At Best’ (2010) als würdigen “Rausschmeißer”.

Live-Fotos: Timo Riedel

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Konzert-Bericht: Godsticks (The Aristocrats), 2014, Köln